Malina
wußte nicht, wo sie war, sie kannte nicht die Thebener Höhen, die Ausläufer der Karpaten, die alle namenlos waren, und sie sah nicht die March, die sich hier in die Donau stiehlt, und noch weniger wußte sie, daß hier einmal eine Grenze durchs Wasser gezogen würde, zwischen zwei Ländern mit Namen. Denn es gab damals keine Länder und keine Grenzen dazu.
Auf einer Schotterbank war sie von ihrem Rappen gestiegen, der nicht mehr weiterkonnte, sie sah die Fluten schlammig und schlammiger werden und fürchtete sich, weil es das Anzeichen für Hochwasser ist, sie sah keinen Ausweg mehr aus der befremdlichen Landschaft, die nur aus Weiden, aus Wind und aus Wasser war, sie führte ihr Pferd langsam weiter, betört von dem Reich aus Einsamkeit, einem verschlossenen verwunschenen Reich, in das sie geraten war. Sie begann, nach einem Nachtlagerplatz Ausschau zu halten, denn die Sonne ging unter, und das ungeheure Lebewesen, das dieser Strom war, verstärkte seine Laute und Stimmen, sein Klatschen, sein anschwellendes Gelächter am Ufergestein, sein zartes Flüstern an einer ruhigen Strombiegung, sein zischendes Aufkochen, sein beständiges Grollen auf dem Grund, unter allen Geräuschen der Oberfläche. Schwärme grauer Krähen näherten sich am Abend und die Kormorane fingen an, die Ufer zu säumen, die Störche fischten im Wasser und Sumpfvögel aller Art kreisten mit gereizten, weithin hallenden Schreien in der Luft.
Man hatte der Prinzessin als Kind von diesem ernstesten Land an der Donau gesprochen, von seinen Zauberinseln, wo man Hungers starb, aber auch die Gesichte bekam und das höchste Entzücken im Furioso des Untergangs erlebte. Die Prinzessin meinte, daß die Insel sich mit ihr bewegte, trotzdem war es nicht die dahindonnernde Wasserflut, vor der sie Furcht überkam, sondern es waren Angst und Verwunderung in ihr und eine niegekannte Unruhe, die von den Weiden ausging. Etwas Tiefbedrohliches ging von ihnen aus und legte sich schwer auf das Herz der Prinzessin. Sie war an die Grenze der Menschenwelt gekommen. Die Prinzessin beugte sich zu ihrem Rappen nieder, der sich erschöpft hingestreckt hatte, einen klagenden Laut von sich gab, denn auch er fühlte, daß es keinen Ausweg mehr gab, und er verlangte, mit einem schon sterbenden Blick, nach der Verzeihung der Prinzessin, er konnte sie nicht mehr durch das Wasser und über das Wasser tragen. Die Prinzessin legte sich in die Mulde neben dem Pferd nieder, und eine Bangnis wie noch nie war in ihr, die Weiden zischelten immer mehr, sie raunten, sie lachten, sie schrien schrill auf und stöhnten seufzend. Kein Heer von Soldaten verfolgte sie mehr, aber ein Heer fremder Wesen umzingelte sie, die Myriaden von Blättern flatterten über den buschigen Häuptern der Weiden, sie war in der Region des Flusses, wo er ins Totenreich führt, und sie hatte die Augen weit offen, als die gewaltigste Kolonne aus Schattenwesen auf sie zurückte, und einen Augenblick, um das Heulen des fürchterlichen Winds nicht mehr zu hören, vergrub sie den Kopf in ihren Armen und sprang sogleich wieder auf, von einem tappenden scheuernden Geräusch wachsam gemacht. Sie konnte nicht vor und nicht zurück, sie hatte nur die Wahl zwischen dem Wasser und der Übermacht der Weiden, aber in der größten Finsternis ging ein Licht an vor ihr, und da sie wußte, daß es kein Menschenlicht, sondern nur ein Geisterlicht sein konnte, ging sie in Todesangst darauf zu, aber bezaubert, bestrickt.
Es war kein Licht, es war eine Blume, gewachsen in der entfesselten Nacht, röter als rot und nicht aus der Erde gekommen. Sie streckte die Hand nach der Blume aus, da berührte ihre Hand zugleich mit der Blume eine andere Hand. Der Wind und das Gelächter der Weiden verstummten, und in dem aufgehenden Mond, der weiß und befremdlich die stiller werdenden Wasser der Donau beschien, erkannte sie den Fremden in dem schwarzen Mantel vor sich, er hielt ihre Hand und mit zwei Fingern der anderen Hand bedeckte er seinen Mund, damit sie nicht wieder fragte, wer er sei, aber er lächelte aus den dunklen warmen Augen auf sie nieder. Er war schwärzer als vorher das Schwarz um sie, und sie sank zu ihm hin und in seinen Armen auf den Sand nieder, er legte ihr die Blume wie einer Toten auf die Brust und schlug den Mantel über sie und sich.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als der Fremde die Prinzessin aus ihrem totenähnlichen Schlaf weckte. Er hatte die wahren Unsterblichen, die Elemente, zum Schweigen gebracht. Die
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