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Malina

Malina

Titel: Malina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bachmann
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hoffe, sie wird ihr Foulard nicht noch einmal andersherum um den Hals drapieren, denn Ivan kann nun wirklich jeden Moment kommen, und ich höre erleichtert die Tür zufallen und die zarten festen Absätze von Fräulein Jellineks neuen Schuhen die Stiege hinunterklappern.
    Da Ivan kommt, bin ich sehr rasch fertig, nur die Kopien von den Briefen liegen noch herum, und ein einziges Mal fragt Ivan, was ich denn da so mache, und ich sage: Oh, nichts, ich sehe so verlegen aus, daß er lachen muß. Briefe interessieren ihn nicht, aber ein unverfängliches Blatt, auf dem steht ›Drei Mörder‹, und Ivan legt es wieder hin. Ivan vermeidet es ja, aber heute sagt er, was bedeuten diese Zettel, denn ich habe ein paar Blätter auf dem Sessel liegengelassen. Er nimmt noch eines in die Hand und liest belustigt: TODESARTEN . Und von einem anderen Zettel liest er ab: Die ägyptische Finsternis. Ist das nicht deine Schrift, hast du das hingeschrieben? Da ich nicht antworte, sagt Ivan: Das gefällt mir nicht, ich habe mir schon so etwas Ähnliches gedacht, und alle diese Bücher, die hier herumstehen in deiner Gruft, die will doch niemand, warum gibt es nur solche Bücher, es muß auch andere geben, die müssen sein, wie ESULTATE JUBILATE , damit man vor Freude aus der Haut fahren kann, du fährst doch auch oft vor Freude aus der Haut, warum also schreibst dunicht so. Dieses Elend auf den Markt tragen, es noch vermehren auf der Welt, das ist doch widerlich, alle diese Bücher sind widerwärtig. Was ist denn das für eine Obsession, mit dieser Finsternis, alles ist immer traurig und die machen es noch trauriger in diesen Folianten. Bitte, hier: AUS EINEM TOTENHAUS , ich entschuldige mich ja schon.
    Ja aber, sage ich eingeschüchtert.
    Nichts aber, sagt Ivan, und immer leiden sie gleich für die ganze Menschheit und ihre Scherereien und denken an die Kriege und stellen sich schon neue vor, aber wenn du mit mir Kaffee trinkst oder wenn wir Wein trinken und Schach spielen, wo ist dann der Krieg und wo ist die hungernde, sterbende Menschheit, und tut dir dann wirklich alles leid, oder tut es dir nur leid, weil du die Partie verlierst, oder weil ich gleich einen Riesenhunger haben werde, und warum lachst du denn jetzt, hat die Menschheit vielleicht viel zu lachen in diesem Augenblick? Aber ich lache doch nicht, sage ich, trotzdem muß ich lachen und ich lasse das Unglück anderswo geschehen, weil hier kein Unglück ist, wo Ivan sich mit mir zum Essen niedersetzt. Denken kann ich nur an das Salz, das noch nicht auf dem Tisch steht, und an die Butter, die ich in der Küche vergessen habe, und laut sage ich es nicht, aber ich nehme mir vor, daß ich ein schönes Buch finden werde für Ivan, denn Ivan hofft also, daß ich nichts über die drei Mörderschreibe und das Elend nicht vermehre, in keinem Buch, ich höre ihm schon nicht mehr zu.
    Ein Brausen von Worten fängt an in meinem Kopf und dann ein Leuchten, einige Silben flimmern schon auf, und aus allen Satzschachteln fliegen bunte Kommas, und die Punkte, die einmal schwarz waren, schweben aufgeblasen zu Luftballons an meine Hirndecke, denn in dem Buch, das herrlich ist und das ich also zu finden anfange, wird alles sein wie ESULTATE JUBILATE . Wenn es dieses Buch geben sollte, und eines Tages wird es das geben müssen, wird man sich vor Freude auf den Boden werfen, bloß weil man eine Seite daraus gelesen hat, man wird einen Luftsprung tun, es wird einem geholfen sein, man liest weiter und beißt sich in die Hand, um vor Freude nicht aufschreien zu müssen, es ist kaum auszuhalten, und wenn man auf dem Fensterbrett sitzt und weiterliest, wirft man den Leuten auf der Straße Konfetti hinunter, damit sie erstaunt stehenbleiben, als wären sie in einen Karneval geraten, und man wirft Äpfel und Nüsse, Datteln und Feigen hinunter, als wäre Nikolaustag, man beugt sich, ganz schwindelfrei, aus dem Fenster und schreit: Hört nur, hört! schaut nur, schaut! ich habe etwas Wunderbares gelesen, darf ich es euch vorlesen, kommt näher alle, es ist zu wunderbar!
    Und die Leute fangen an stehenzubleiben und aufzumerken, es sammeln sich immer mehr Leute an, und Herr Breitner grüßt einmal zur Abwechslung, er muß nicht mehr beweisen, mit seinen Krücken, daß er der einzige Krüppel ist, er krächzt freundlich grüß Gott und guten Tag, und die dicke Kammersängerin, die sich nur nachts aus dem Haus traut und in Taxis abfährt oder vorfährt, wird etwas dünner, sie nimmt in einem einzigen Moment

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