Malina
Prinzessin und der Fremde begannen zu reden, wie von alters her, und wenn einer redete, lächelte der andere. Sie sagten sich Helles und Dunkles. Das Hochwasser war gesunken, und ehe die Sonne unterging, hörte die Prinzessin ihren Rappen aufstehen, schnauben und durch das Gebüsch traben. Sie erschrak bis in ihr tiefstes Herz und sagte: Ich muß weiter, ich muß noch den Fluß hinauf, komm mit mir, verlaß mich nie mehr!
Aber der Fremde schüttelte den Kopf, und die Prinzessin fragte: Mußt du zu deinem Volk zurück?
Der Fremde lächelte: Mein Volk ist älter als alle Völker der Welt und es ist in alle Winde zerstreut.
So komm doch mit! rief die Prinzessin, vor Schmerz und Ungeduld, aber der Fremde sagte: Geduld, hab Geduld, denn du weißt ja, du weißt. Über Nacht hatte die Prinzessin das zweite Gesicht bekommen, und darum sagte sie unter Tränen: Ich weiß, wir werden einander wiedersehen.
Wo? fragte der Fremde lächelnd, und wann? denn wahr ist der endlose Ritt.
Die Prinzessin sah auf die erloschene, welkende Blume, die auf dem Boden liegengeblieben war und sagte, die Augen schließend, auf der Schwelle des Traumes: Laß mich sehen!
Langsam begann sie zu erzählen: Es wird weiter oben am Fluß sein, es wird wieder Völkerwanderung sein, es wird in einem anderen Jahrhundert sein, laß mich raten? es wird mehr als zwanzig Jahrhunderte später sein, sprechen wirst du wie die Menschen: Geliebte ...
Was ist ein Jahrhundert? fragte der Fremde.
Die Prinzessin nahm eine Handvoll Sand und ließ ihn rasch durch die Finger laufen, sie sagte: Soviel ungefähr sind zwanzig Jahrhunderte, es wird dann Zeit sein, daß du kommst und mich küßt.
Dann wird es bald sein, sagte der Fremde, sprich weiter! Es wird in einer Stadt sein und in dieser Stadt wird es in einer Straße sein, fuhr die Prinzessin fort, wir werden Karten spielen, ich werde meine Augen verlieren, im Spiegel wird Sonntag sein.
Was sind Stadt und Straße? fragte der Fremde betroffen. Die Prinzessin geriet ins Staunen, sie sagte: Aber das werden wir bald sehen, ich weiß nur die Worte dafür, doch wir werden es sehen, wenn du mir die Dornen ins Herz treibst, vor einem Fenster werden wir stehen, laß mich ausreden! es wird ein Fenster voller Blumen sein, und für jedes Jahrhundert wird eine Blume dahinter aufgehoben sein, mehr als zwanzig Blumen, daran werden wir erkennen, daß wir am richtigen Ort sind, und es werden die Blumen alle wie diese Blume hier sein!
Die Prinzessin schwang sich auf ihren Rappen, sie ertrug die Wolken nicht mehr, denn der Fremde entwarf schweigsam seinen und ihren ersten Tod. Er sang ihr nichts mehr zum Abschied, und sie ritt ihrem Land mit den blauen Hügeln entgegen, das in der Ferne auftauch te, in einer fürchterlichen Stille, denn er hatte ihr den ersten Dorn schon ins Herz getrieben, und inmitten ihrer Getreuen im Burghof fiel sie blutend von ihrem Rappen. Sie lächelte aber und lallte im Fieber: Ich weiß ja, ich weiß!
Das Schreibpult habe ich nicht gekauft, weil es fünftausend Schilling gekostet hätte und aus einem Kloster kommt, auch das stört mich, und darauf schreiben hätte ich doch nicht können, weil es Pergament und Tinte nicht gibt, auch Fräulein Jellinek wäre wenig begeistert gewesen, denn sie ist an meine Schreibmaschine gewöhnt. Ich lasse die Blätter über die Prinzessin von Kagran rasch in einer Mappe verschwinden, damit Fräulein Jellinek nicht sieht, was ich geschrieben habe, es ist auch wichtiger, daß wir endlich einmal etwas ›erledigen‹, ich setze mich hinter sie auf die drei Stufen zu der Bibliothek, rücke einige Blätter zurecht und diktiere ihr:
Sehr geehrte Herren.
Den Briefkopf und das Datum von heute hat Fräulein Jellinek bestimmt schon geschrieben, sie wartet, mir fällt nichts ein und ich sage: Liebes Fräulein Jellinek, schreiben Sie doch bitte, was Sie wollen, obwohl das verwirrte Fräulein Jellinek doch nicht wissen kann, was hier wollen heißt, und ich sage erschöpft: Schreiben Sie, zum Beispiel, aus gesundheitlichen Gründen, ach so, das haben wir schon gehabt? schreiben Sie etwas von Verpflichtungen, haben wir auch zu oft gehabt? dann also einfach mit Dank und besten Empfehlungen. Fräulein Jellinek wundert sich manchmal, aber sie zeigt es nicht, sie kennt keine sehr geehrten Herren, sondern nur Herrn Dr. Krawanja, der sich auf Neurologie spezialisiert und sie im Juli heiraten wird, das hat sie heute gestanden, ich bin zur Hochzeit eingeladen, sie wird nach Venedig fahren,
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