Mallorca - hin und nicht zurueck
eingetroffene Gäste verteilt. Einige ältere Paare begannen zu Tanzen. Daraufhin schaltete der Discjockey die Anlage mit bunt blitzenden Lichtern ein und drehte die Musik richtig auf. Käthe saß in ihrem Rollstuhl und schnippte mit den Fingern im Takt zu Shakira und auch Lore war deutlich anzumerken, dass es sie nicht mehr lange auf dem Stuhl würde halten können. Bertrams Gesichtsausdruck beängstigte mich allerdings ein wenig. Er machte den Anschein, als ob er seine Truppe im nächsten Moment zusammen trommeln würde, um hier, auf der Plaza, seine Parade zu veranstalten. Zuzutrauen war ihm das. Aber da kam auch schon Dorothea und forderte ihn zum Tanzen auf.
Nachdem das Lied verklungen war, trat der Discjockey an sein Mikrophon und verkündete feierlich, dass er Tom Jones auflegen würde. Jubelrufe hallten über die Plaza. Dieser Name musste hier so etwas wie ein geheimes Kommando sein, jedenfalls sprangen Alt und Jung auf die Beine.
Mit wachsender Faszination verfolge ich das Geschehen. Bis dato hatte ich immer geglaubt, bei Lore im Hotel wären alle verrückt. Augenscheinlich war das jedoch ein Trugschluss gewesen. Hier waren auch alle verrückt.
»Sex-Bomb, sex-Bomb, you’r my sex bomb …«, hallte es über den Platz und alle sangen lauthals mit, schwangen die Hüften und wedelten mit den Armen in der Luft.
Aus dem Blickwinkel bemerkte ich, dass sich mir jemand näherte. Es war mein Tomaten-Tom, der mich einfach an die Hand nahm und mich mit ins Getümmel zog. Irgendwie war die Stimmung so ansteckend, dass ich ebenfalls ausgelassen über die Plaza hottete.
Das Ende von Tom Jones verschaffte uns zwar kurzfristig eine kleine Verschnaufpause, aber schon kam der nächste Hit und wir tanzten weiter. Ich hatte mich lange nicht mehr so unbeschwert gefühlt.
»Y ahora«, brüllte der Jockey begeistert über den Platz, »Juanes!«
Juanes? Nie gehört.
Doch da entdeckte ich Stevie, der sich schlagartig wieder in den wild gewordenen Andalusier verwandelte und zum Takt der Musik mit den Füßen stampfte.
Irgendwie kannten hier fast alle, außer den Deutschen, den Text des Songs, und die Leute sangen begeistert mit. »Tengo la camisa negra, mi amor esta de luto …«
Aha. Das also war Stevies neuer Lieblingshit. Er sang und stampfte, eilte auf einen der Tische zu, schnappte sich den Rollstuhl und schob eine kreischende Käthe in die Mitte dieser ausgelassenen Gesellschaft, während er lauthals mitsang. Die Räder des Rollstuhls rollten im Kreis und Stevie drehte mit Käthe, die inzwischen richtig Spaß daran hatte, seine Runden.
Wo war ich hier bloß hingeraten?
Stevie stampfte hinter dem Rollstuhl her, als hinge sein Leben davon ab und auch ich tanzte und tanzte. Auf der Plaza tobte das Leben.
Es war kurz vor Mitternacht, als ich mich endlich auf meinen Stuhl fallen ließ. Mein Tomaten-Tom hatte sich als ausdauernder Tänzer erwiesen und ich strich mir den Schweiß von der Stirn. Noch immer wehte kein Lüftchen, es war kein bisschen abgekühlt.
Wann hatten wir in Deutschland jemals so heiße Nächte gehabt?
Ich blickte zum Nachthimmel auf. Über mir blinkten unzählige Sterne.
Zu allem Übel erklang in diesem Moment meine neue Schicksalshymne »from Sarah with love«. Jetzt wurde ich doch ein wenig schwermütig.
Auf der Tanzfläche schmiegte sich die Gräfin an Robert, Pedro schloss Maria in seine Arme und sogar der schöne August hatte es geschafft, Martha zum Tanzen zu überreden. Gott, wie romantisch. Und Sarah sang von ihrer großen Liebe. Die hätte ich auch gern.
Meine Augen wurden feucht, als ich an die Fernsehübertragung von Sarah´s Hochzeit dachte und wie sie ihre liebevolle Ansprache an ihren Marc unter Tränen hervorgebracht hatte. Nein, war das rührselig gewesen. Sarah hatte geheult, die Brautjungfern hatten geheult und ihrem Marc waren ebenfalls die Tränen der Rührung in die Augen geschossen, genau wie seinem zukünftigen Schwiegervater. Und auch Sarahs Mutter hatte mitgeheult.
Allerdings war die so clever gewesen, sich ein Taschentuch einzustecken, denn ich hatte vor der Glotze gesessen und in meinen Ärmel geschnieft …
Ach ja, so strahlend glücklich würde ich auch gerne mal wieder sein. Stattdessen saß ich hier, auf dieser schönen Insel und war allein.
Hör auf, dich selbst zu bemitleiden, erinnerte ich mich an Sigrids Worte und die verfehlten ihre Wirkung nicht. Ich würde auf dieser Fiesta bestimmt nicht Trauer schieben, ganz sicher nicht! Es war Sommer, ich hatte
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