Malloreon 1 - Herrn des Westens
hatte das Gefühl, fast ein Gefangener auf dieser Insel zu sein. Ständig gab es irgend etwas, das seine Zeit und seinen persönlichen Einsatz erforderte. Er konnte sich an eine Zeit erinnern, die noch gar nicht so übermäßig lange zurücklag, als er jeden Morgen auf dem Pferderücken begonnen und selten zwei Nächte hintereinander am selben Ort geschlafen hatte. Doch wenn er es recht bedachte, mußte er zugeben, daß er auch da nicht hatte tun können, was er wollte. Obgleich er es damals nicht geahnt hatte, war ihm die Last der Verantwortung in jener stürmischen Nacht vor vielen Jahren aufgebürdet worden, als er, Tante Pol, Belgarath und Durnik von einem kleinen sendarischen Gehöft in die weite Welt hinausgezogen waren, ein langer Weg, der im Thronsaal von Riva geendet hatte – oder erst richtig begann.
»Hm«, murmelte er vor sich hin. »Das ist auch wichtig. Brand schafft es schon. Sie werden eben eine Weile ohne mich auskommen müssen.«
»Was sagtet Ihr, Eure Majestät?« erkundigte sich der Gardist höflich.
»Ich habe nur laut gedacht«, antwortete Garion ein wenig verlegen.
An diesem Abend wirkte Ce'Nedra bedrückt und war unleidlich. Sie hielt Geran fast abwesend auf den Armen und achtete kaum auf ihn, als er sich mit ernstem Gesichtchen mit dem Anhänger an ihrem Hals beschäftigte.
»Was hast du, Liebes?« fragte Garion sie.
»Nichts, nur Kopfschmerzen«, antwortete sie kurz. »Und ein seltsames Klingeln in den Ohren.«
»Du bist müde.«
»Vielleicht liegt es daran.« Sie stand auf. »Ich glaube, ich lege Geran in seine Wiege und gehe zu Bett. Wahrscheinlich fühle ich mich besser, wenn ich richtig ausgeschlafen bin.«
»Ich kann ihn ins Bettchen bringen«, erbot sich Garion.
»Nein«, entgegnete sie mit eigenartigem Gesichtsausdruck. »Ich möchte mich vergewissern, daß er sicher in seiner Wiege liegt.«
»Sicher?« Garion lachte. »Ce'Nedra, wir sind hier in Riva. Das ist der sicherste Ort der Welt!«
»Sag das Arell«, murmelte sie und begab sich in die Kammer neben ihrem Schlafgemach, in der Gerans Wiege stand.
Garion blieb auf und las bis spät in die Nacht hinein. Ce'Nedras Unbehagen hatte sich irgendwie auf ihn übertragen, und er war überzeugt, daß er im Bett noch keine Ruhe finden würde. Schließlich legte er das Buch zur Seite und trat ans Fenster, um über das mondbeschienene Meer der Stürme tief unter ihm zu blicken. Die weiten, trägen Wellen schimmerten in dem blassen Licht wie Silber, und ihr gemessener Rhythmus wirkte irgendwie hypnotisch. Nach einer Weile blies er die Kerzen aus und ging leise ins Schlafgemach.
Ce'Nedra wälzte sich im Schlummer unruhig von Seite zu Seite und murmelte halbe Sätze – sinnlose Fetzen eines bruchstückhaften Gespräches. Garion zog sich aus und schlüpfte leise ins Bett, um sie nicht auch noch zu stören.
»Nein!« sagte sie gebieterischen Tons. »Das werde ich nicht dulden!« Dann stöhnte sie und warf den Kopf auf dem Kissen herum.
Garion lag in der weichen Dunkelheit und lauschte seiner im Schlaf sprechenden Frau.
»Garion!« keuchte sie, plötzlich wach. »Deine Füße sind eiskalt!«
»Oh! Tut mir leid«, entschuldigte er sich.
Sie schlief sofort wieder ein und redete weiter im Schlaf.
Der Klang einer anderen Stimme weckte ihn mehrere Stunden später. Sie war seltsam vertraut. Garion lag still und versuchte sich, fast im Schlaf, zu erinnern, woher er sie kannte. Es war die Stimme einer Frau, leise und melodisch, und sie sprach in eigenartig beruhigendem Ton.
Da wurde ihm mit einemmal bewußt, daß Ce'Nedra nicht im Bett neben ihm lag. Sofort war er hellwach.
»Aber ich muß ihn verstecken, damit sie ihn nicht finden können«, hörte er Ce'Nedra mit merkwürdig benommener Stimme sagen. Er warf die Decken zurück und glitt aus dem Bett.
Ein schwaches Licht schimmerte durch die offene Kammertür, und die Stimmen kamen von dort. Garion eilte zu dieser Tür, ohne daß seine bloßen Füße einen Laut auf dem Teppich verursachten.
»Nimm die Decken von deinem Baby, Ce'Nedra«, redete die Frau ihr mit ruhiger Stimme zu. »Du wirst ihm schaden!«
Garion blickte durch die Tür. Neben einer anderen Frau stand Ce'Nedra mit leeren, starren Augen im weißen Nachtgewand an der Wiege. Auf dem Stuhl am Fußende der Wiege waren Decken und Kissen gehäuft. Wie eine Schlafwandlerin legte die Rivanische Königin Stück um Stück davon auf ihren kleinen Sohn.
»Ce'Nedra«, sagte die Frau zu ihr. »Tu es nicht! Hör auf mich!«
»Ich
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