Malloreon 1 - Herrn des Westens
nickte.
»Wer hat im Augenblick das Sagen in Jarviksholm?« fragte Garion interessiert.
»Der Bärenkult«, antwortete Anheg verärgert. »Seine Anhänger sind in den vergangenen zehn Jahren aus allen Winkeln Chereks dort zusammengeströmt.«
»Das ist sehr ernst, Anheg!« sagte Barak.
»Und völlig uncharakteristisch«, warf Javelin ein. »Der Kult war bisher nie an Konfrontationspolitik interessiert.«
Anheg blinzelte. »Welcher Art von Politik?«
»Mit anderen Worten gesagt: an einer offenen Auseinandersetzung mit der Krone«, erklärte der drasnische Sicherheits chef.
»Dann verwendet doch gleich Worte, die man versteht, Mann!«
»Eine berufliche Eigenart«, gestand Javelin schulterzuckend. »Bisher hat der Kult es immer auf andere Weise versucht, und zwar, indem er genügend Anhänger sammelte, um die Könige der alornischen Reiche gewaltlos nötigen zu können, seiner Politik zu folgen. Ich glaube nicht, daß er je an offene Rebellion dachte.«
»Es gibt wohl für alles ein erstes Mal«, meinte Hettar.
Javelin runzelte die Stirn. »Es paßt nicht zu ihnen«, murmelte er nachdenklich. »Und es ist eine völlige Umkehrung der Politik, die sie die vergangenen dreitausend Jahre verfolgten.«
»Menschen ändern sich«, gab General Brendig zu bedenken.
»Nicht die Anhänger des Bärenkults«, entgegnete Barak. »Sie sind zu engstirnig für mehr als eine Idee.«
»Ich glaube, Ihr solltet umgehend nach Val Alorn zurückkehren, Anheg«, meinte Greldik. »Wenn die Schiffe auslaufen, beherrschen sie die gesamte Westküste Chereks.«
Anheg schüttelte den Kopf. »Ich muß noch bleiben«, entgegnete er. »Es geht hier im Augenblick um noch Wichtigeres.«
Greldik zuckte die Schultern. »Es ist Euer Reich, zumindest jetzt noch.«
»Danke, Greldik«, sagte Anheg trocken. »Ihr habt keine Ahnung, wie mich das beruhigt. Wie lange werdet Ihr bis Val Alorn brauchen?«
»Drei oder vier Tage. Es kommt darauf an, ob ich die Enge zur Flut oder Ebbe erreiche.«
»Fahrt dorthin«, bat Anheg ihn. »Richtet den Admiralen aus, daß die Flotte von Val Alorn auslaufen und Posten in den Halberger Schären beziehen soll. Sobald die Ratssitzungen hier beendet sind, werde ich wohl eine kleine Reise nach Jarviksholm unternehmen. Es dürfte nicht allzuviel dazu gehören, diese Werften auszuräuchern.«
Greldik erwiderte mit einem wilden Grinsen.
Nachdem die Sitzung für den Abend beendet wurde, folgte Kail Garion den fackelerhellten Korridor hoch. »Ich glaube, da ist etwas, das Ihr in Betracht ziehen solltet, Belgarion«, sagte er ruhig.
»Ja?«
»Diese Flottenbewegung Anhegs beunruhigt mich.«
»Es ist seine Flotte«, entgegnete Garion, »und sein Reich.«
»Es gibt nur das unbewiesene Wort dieses Greldiks über die Werften bei Jarviksholm«, gab Kail zu bedenken. »Und die Halberger Schären liegen lediglich eine Schiffsreise von drei Tagen von Riva entfernt.«
»Geht Ihr mit Eurem Mißtrauen nicht etwas zu weit, Kail?«
»Eure Majestät, ich gebe zu, es besteht berechtigter Zweifel, daß König Anheg etwas mit der Ermordung meines Vaters zu tun hat. Doch dieser Zufall, der die cherekische Flotte in Angriffsnähe von Riva bringt, steht auf einem anderen Blatt. Ich glaube, wir sollten uns unauffällig um unsere Verteidigung kümmern – nur um sicherzugehen.«
»Ich werde darüber nachdenken«, antwortete Garion brüsk und ging weiter.
Gegen Mittag des nächsten Tages kam Silk an. Der kleine Mann trug ein prächtiges Wams aus grauem Samt, und er hatte – wie er es sich seit einiger Zeit angewöhnt hatte - seine Finger mit kostbaren Ringen geschmückt. Nach nur kurzer Begrüßung seiner Freunde zog er sich mit Javelin zurück.
Belgarath betrat am Nachmittag mit selbstzufriedener Miene die Ratskammer und schwenkte das Schreiben, das soviel Mißtrauen ausgelöst hatte.
»Was gibt es, Vater?« erkundigte sich Polgara neugierig. »Du siehst aus wie die Katze auf einem Fischerkahn.«
»Ich freue mich immer, wenn ich ein Rätsel gelöst habe, Pol.« Er wandte sich an alle. »Wie es sich herausstellte, hat Anheg diesen Brief tatsächlich geschrieben.«
König Anheg sprang mit rotem Gesicht auf.
Belgarath hob eine Hand. »Aber«, fuhr er fort, »was Anheg schrieb, ist nicht, was wir gelesen haben.« Er legte das Pergament auf den Tisch. »Seht selbst!« forderte er auf.
Als Garion darauf blickte, sah er deutlich rote Schrift unter der Beglaubigung, die auf Anhegs Mittäterschaft am Mord an Brand hingedeutet
Weitere Kostenlose Bücher