Malloreon 1 - Herrn des Westens
versuche nur genau zu formulieren, Eure Majestät.«
»Ich kann Advokaten nicht ausstehen!«
Das belastende Schreiben war Diskussionsthema für den Rest des Tages, doch nichts ergab sich. Garion ging so verwirrt und voll Zweifel zu Bett, wie er am Morgen aufgestanden war.
Er schlief sehr schlecht und erwachte spät. Während er noch im königlichen Himmelbett lag und Ordnung in seine Gedanken zu bringen versuchte, wurden ihm die Stimmen im Nebengemach bewußt. Fast müßig überlegte er, wessen sie waren. Ce'Nedras, natürlich, Tante Pols, Königin Laylas helles Lachen war so unverkennbar wie der mimbratische Dialekt Nerinas und Arianas. Da waren auch noch andere Stimmen, doch ihre Eigenheiten gingen in dem allgemeinen Geplaudere unter.
Müde setzte Garion sich auf. Er fühlte sich, als hätte er überhaupt nicht geschlafen. Ehe er die Füße aus den Bett schwang, stieß er die Daunendecke zur Seite. Seufzend stand er auf und blickte auf das schwarze Wams und Beinkleid von gestern, dann schüttelte er den Kopf. Weiterhin Trauer zu tragen, mochte unbeabsichtigt als stumme Anklage ausgelegt werden. Das mußte er auf alle Fälle vermeiden. König Anhegs Lage war so kritisch, daß die geringste Andeutung zur Krise führen könnte. Garion trat an den Schrank und nahm eines seiner üblichen blauen Wämser heraus und begann sich anzukleiden.
Die Unterhaltung im Nebengemach verstummte plötzlich, als jemand an die Tür klopfte.
»Bin ich hier willkommen?« fragte Königin Islena verlegen.
»Aber natürlich!« versicherte ihr Tante Pol.
»Ich hatte gedacht…« Islenas Stimme stockte, und sie begann erneut: »Nach allem, was geschehen ist, dachte ich, es sei vielleicht besser, wenn ich nicht käme.«
»Unsinn«, sagte Königin Layla fest. »Kommt herein, Islena.«
Allgemeine Zustimmung erklang.
»Ich schwöre euch, daß mein Gemahl nichts mit dieser Schändlichkeit zu tun hat!« erklärte Islena fest.
»Das hat auch niemand behauptet, Islena«, erwiderte Tante Pol ruhig.
»Nicht offen, vielleicht, doch der Argwohn überall ist fast greifbar.«
»Ich bin sicher, daß Garion und die anderen die Sache klären werden«, sagte Ce'Nedra überzeugt.
»Mein armer Anheg hat die ganze Nacht nicht geschlafen«, flüsterte Islena bedrückt. »Ich weiß, daß er derb aussieht, aber er ist sehr feinfühlig. Dieser Verdacht schmerzt ihn zutiefst. Er hat sogar einmal geweint.«
»Unsere Gatten werden die Tränen des Euren am Leib des gemeinen Schurken rächen, der für diese Greueltat verantwortlich ist«, tröstete sie die Baronin Nerina. »Und die törichten Menschen, die an seiner Untadeligkeit zweifeln, werden sich ihrer Kleingläubigkeit schämen, sobald die Wahrheit ans Licht gekommen ist.«
»Ich kann nur hoffen, daß Ihr recht habt«, murmelte Islena.
»Das ist ein sehr bedrückendes Thema, meine Damen«, sagte Garions Base Adara nun. »Es hat nichts mit dem eigentlichen Grund unseres Hierseins zu tun.«
»Und welcher Grund ist das, teure Adara?« fragte Ariana.
»Das Baby, Ariana«, antwortete Adara. »Wir möchten dein Baby wieder bewundern, Ce'Nedra. Geran ist sicherlich schon wach, hol ihn doch.«
Ce'Nedra lachte. »Ich dachte schon, ihr würdet mich nie darum bitten.«
Die Ratssitzung begann am Vormittag. Wieder versammelten sich die Könige und ihre Ratgeber in der blauen Ratskammer. Die goldene Spätsommersonne schien durch die Fenster, und eine sanfte Brise wehte vom Meer und spielte mit den Vorhängen. Förmlichkeit war bei diesen Sitzungen verpönt, so hatten es sich sowohl die Monarchen wie ihre Begleiter zwanglos in den weichen Sesseln bequem gemacht, die frei herumstanden. »Ich glaube nicht, daß wir viel erreichen, wenn wir auch heute an diesem Schreiben herumrätseln«, begann Belgarath. »Einigen wir uns darauf, daß es eine Art Fälschung ist, und gehen zum nächsten Punkt über.« Er wandte sich an Kail. »Hatte Euer Vater irgendwelche Feinde auf der Insel? Jemand mit genug Geld und Macht, cherekische Meuchler anzuwerben?«
Kail runzelte die Stirn. »Keiner kommt durch das Leben, ohne auf ein paar Zehen zu treten, Ehrwürdiger«, erwiderte er. »Aber ich glaube nicht, daß irgend jemand ihn so sehr haßte, so weit zu gehen.«
»Nun, mein Freund«, warf Mandorallen ein, »manche Menschen lassen sich ihren verletzten Stolz nicht anmerken. Sie nähren ihren Grimm schweigend und verbergen ihre Feindschaft, bis sie den richtigen Augenblick gekommen sehen, sich für eine – vielleicht nur
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