Malloreon 1 - Herrn des Westens
hatte.
»Was ist das, Belgarath?« erkundigte sich König Fulrach.
»Eigentlich ein Schreiben an den Grafen von Maelorg«, antwortete er. »Es hat mit Anhegs Entscheidung zu tun, die Steuern beim Heringfang zu erhöhen.«
»Diesen Brief schrieb ich vor vier Jahren!« rief Anheg verblüfft.
»Genau«, bestätigte Belgarath. »Und wenn ich mich recht entsinne, starb der Graf von Maelorg im vergangenen Frühjahr.«
»Das stimmt«, sagte Anheg. »Ich nahm an seiner Trauerfeier teil.«
»Es sieht so aus, als habe nach seinem Tod jemand in seinen Papieren gekramt und diesen Brief an sich genommen. Dann gab er sich große Mühe, das Original zu bleichen – alles außer der Unterschrift und dem Siegel – und daraus das Beglaubigungsschreiben für diese angebliche Handelsabordnung zu machen.«
»Warum konnten wir das nicht schon eher sehen?« fragte Barak.
»Ich mußte erst ein wenig damit herumspielen«, gestand der alte Mann.
»Zauberei?«
»Nein. Ich benutzte eine Lösung aus bestimmten Salzen. Mit Zauberei hätte ich vermutlich zwar die alte Schrift ans Licht bringen können, doch dabei die neue gelöscht, und die brauchen wir vielleicht noch als Beweis.«
Barak wirkte sichtlich enttäuscht.
»Zauberei ist nicht das einzige, womit sich etwas bewirken läßt, Barak.«
»Wie hast du es herausgefunden, Großvater?« fragte Garion. »Daß eine andere Schrift darunter ist, meine ich.«
»Das Bleichmittel, das der Schurke benutzte, hinterläßt auf dem Pergament einen schwachen Geruch.« Der Zauberer verzog das Gesicht. »Erst heute morgen wurde mir bewußt, was ich da roch.« Er wandte sich an Anheg. »Es tut mir leid, daß ich so lange brauchte, deine Unschuld zu beweisen.«
»Das macht nichts«, versicherte ihm Anheg nun strahlend. »Es gab mir die Gelegenheit festzustellen, wer wirklich meine Freunde sind.«
Kail stand auf und sein Gesicht verriet die widersprüchlichsten Gefühle. Vor Anheg ließ er sich auf ein Knie fallen. »Verzeiht mir Eure Majestät«, bat er. »Ich muß gestehen, daß ich Euch verdächtigte.«
»Natürlich verzeihe ich Euch.« Anheg lachte plötzlich. »Bei Belars Zähnen! Nachdem ich dieses Schreiben gelesen hatte, verdächtigte ich mich sogar selbst! Steht auf, junger Mann. Steht immer fest auf den Füßen – selbst wenn Ihr einen Fehler begangen habt.«
»Kail«, bat Garion, »würdet Ihr dafür sorgen, daß die Kunde von dieser Entdeckung so rasch wie möglich verbreitet wird? Sagt den Bürgern in der Stadt, sie sollen aufhören, die Klingen zu wetzen.«
»Ich kümmere mich sofort darum, Eure Majestät.«
»Bleibt jedoch immer noch ein ungelöstes Rätsel«, bemerkte der Graf von Seline. »Wir wissen, daß König Anheg nicht für den Mord verantwortlich ist – wer aber ist es?«
»Vielleicht sind wir ihm bereits auf der Spur«, warf Lelldorin ein. »Wir haben diese Liste mit Männern, die vielleicht geglaubt hatten, Grund zu haben, Brand zu hassen.«
»Ich denke, wir sind hier auf dem Holzweg«, widersprach Königin Porenn. »Der Mord am Rivanischen Hüter ist eine Sache, aber den Anschein zu erwecken, daß Anheg dafür verantwortlich ist, eine völlig andere.«
»Ich fürchte, ich kann Euch nicht recht folgen, Porenn«, gestand Anheg.
»Wenn Ihr einen sehr engen Freund hättet – und Ihr habt doch wahrhaftig ein paar gute Freunde, nicht wahr, Anheg? – und dieser Freund ein hoher Staatsbeamter in Eurer Regierung wäre, und der König eines anderen Landes ließe ihn ermorden, was würdet Ihr tun?«
»Ich würde meine Kriegsschiffe mit der nächsten Flut ausschicken!« antwortete er.
»Seht Ihr? Der Mord an Brand wurde wahrscheinlich gar nicht aus einem persönlichen Motiv begangen, sondern sollte dazu dienen, einen Krieg zwischen Riva und Cherek zu entfachen.«
Anheg blinzelte. »Porenn, Ihr seid eine sehr ungewöhnliche Frau!«
»Oh, danke, Anheg.«
Die Tür schwang auf und ließ Silk und Javelin ein. »Unser wahrlich bemerkenswerter Fürst Kheldar hat einen sehr interessanten Bericht für uns«, erklärte Javelin.
Silk trat vor und verbeugte sich grandios. »Eure Majestäten«, begann er, »meine teuren Freunde. Ich weiß nicht genau, inwieweit dies für euren momentanen Sitzungspunkt von Bedeutung ist, auf jeden Fall aber sollte meines Erachtens eure Aufmerksamkeit darauf gelenkt werden.«
»Ist dir je aufgefallen, wie pompös ein bißchen Reichtum gewisse Leute macht?« fragte Barak Hettar.
»Es ist mir nicht entgangen«, antwortete Hettar.
»Das dachte
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