Malloreon 1 - Herrn des Westens
stieg über die halbgefrorenen Leichen von Kultleuten, aus denen Pfeilschäfte ragten. Ein paar Rheoner – allerdings nicht viele – hatten sich vor der hastigen Durchsuchung der Häuser an der Grenze vor Silks Leuten in Sicherheit bringen können. Verzweifelt schossen sie nun auf die vorrückenden Feindtruppen. Auf Brendigs lauten Befehl lösten sich einzelne Trupps von Sendariern und drangen in die besetzten Häuser ein, um diese restlichen Verteidiger dort unschädlich zu machen.
Jenseits der Grenze des Stadtviertels herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander. Garions Armee drang hinter einem Schildwall vor und säuberte die Straßen von verzweifelten Kultkämpfern. Verwünschungen und Pfeile füllten die Luft, und in mehreren Häusern machte sich bereits der rote Hahn breit.
Wie Yarblek vorhergesagt hatte, gaben die lose aufgeschichteten Mauern der Verteidiger rasch unter dem Zug der Enterhaken nach.
Grimmig drangen Garions Streitkräfte vor, und das Klirren von Schwertern erfüllte die Luft. In dem Durcheinander wurde Garion irgendwie von Barak getrennt und fand sich plötzlich Schulter an Schulter mit Durnik in einer engen Gasse. Der Schmied trug weder Schwert noch Axt, sondern kämpfte mit einer schweren Keule. »Es widerstrebt mir, in Menschen zu schneiden oder zu hacken«, erklärte er und fällte einen beleibten Gegner mit einem Hieb. »Wenn man jemanden mit der Keule niederschlägt, besteht die Chance, daß er mit dem Leben davonkommt, und es spritzt auch gewöhnlich kein Blut.«
Sie drangen tiefer in die Stadt ein und trieben die entmutigten Bewohner vor sich her. Das laute Kampfgetümmel, das vom Südrand der Stadt zu hören war, verkündete, daß Silk und seine Männer die Südmauer erreicht und das Tor geöffnet hatten, um die geballten Truppen einzulassen, deren Scheinangriff die Kultleute abgelenkt hatte.
Und dann stürmten Garion und Durnik aus der engen Gasse auf den großen schneebedeckten Hauptplatz von Rheon. Hier tobte der Kampf überall, doch auf der Ostseite des Platzes hatte sich eine große Menge der Verteidiger dicht an dicht um einen hochrädrigen Karren geschart, auf dem ein schwarzbärtiger Mann in einem Wams aus rostfarbenem Brokat stand.
Ein hagerer Nadraker schwang seinen Speer zurück, zielte und warf ihn auf den Mann auf dem Karren. Der Schwarzbärtige hob eine Hand, machte eine ungewöhnliche Geste, und plötzlich bog der Speer nach rechts ab und klapperte, ohne etwas ausgerichtet zu haben, auf das schneeglatte Kopfsteinpflaster. Garion hörte und spürte ein seltsames Brausen, das nur eines bedeuten konnte.
»Durnik!« rief er. »Der Mann auf dem Karren! Das ist Ulfgar!«
Durnik kniff die Augen zusammen. »Holen wir ihn uns, Garion!«
Garions Zorn auf diesen Fremden, der die Ursache ihres Feldzuges, des ganzen Gemetzels und der Verwüstung war, wuchs ins Unermeßliche, und seine Wut übertrug sich auf das Auge, den Stein seines Schwertknaufes. Es flammte auf, und Eisenfausts leuchtendes Schwert brannte plötzlich in sengendem blauen Feuer.
»Dort! Das ist der Rivanische König!« brüllte der Bärtige auf dem Karren. »Tötet ihn!«
Flüchtig begegneten Garions Augen den seinen. Er las Haß in ihnen und gleichermaßen unwillige Ehrerbietung und verzweifelte Furcht. In blindem Gehorsam stürmten ein Dutzend Kultangehörige mit gezückten Schwertern durch den Matsch auf Garion zu. Doch noch ehe sie weit kamen, stürzte einer nach dem anderen zuckend in den nassen Schnee. Pfeilschäfte ragten aus ihren Körpern.
»Ho, Garion!« rief Lelldorin begeistert von einem nahen Dach, und vor den Augen der Beobachter verschwammen seine Hände schier, als er seine Pfeile abschoß.
»Ho, Lelldorin!« rief Garion, während er, das flammende Schwert schwingend, durch die pelzgekleideten Männer stürmte. Die Aufmerksamkeit der Schar um den Karren galt ausnahmslos dem erschreckenden Anblick des Rivanischen Königs mit seinem sagenhaften Schwert. Deshalb sah auch keiner Durnik, der sich geduckt wie eine Katze entlang der Wand eines Hauses näherte.
Der Mann auf dem Karren hob erneut die Hand, hielt plötzlich eine Kugel puren Feuers in der Hand und warf sie verzweifelt gegen Garion. Garion wischte die Feuerkugel mit dem Schwert zur Seite, ohne in seinem grimmigen Ansturm innezuhalten. Seine flammende Klinge bahnte ihm einen Weg durch die verstörten Männer in Bärenpelzen, die er kaum bemerkte, da er den Blick nicht von dem Schwarzbärtigen mit dem bleichen Gesicht nahm, das nun
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