Malloreon 2 - König der Murgos
verstanden?«
»Ihr seid nicht Taur Urgas!«
»Das ist offensichtlich, General Kradak«, entgegnete Urgit kalt. »Ich bin jedoch Euer König, und ebenso bin ich ein Urga. Wenn ich gereizt werde, spüre ich, wie mich der Wahnsinn der Urgas beschleicht – und im Augenblick nähert er sich mit Riesenschritten. Wenn Ihr nicht genau das tut, was ich Euch befehle, werdet Ihr noch vor Sonnenuntergang um einen Kopf kürzer sein. Und jetzt erteilt den Befehl, die Truppen auf die Schiffe im Hafen zu laden!«
»Und wenn ich mich weigere?«
Urgits Miene verriet sein Zögern. Unwillkürlich blickte er Garion hilfesuchend an.
»Tötet ihn«, sagte Garion in dem gleichmütigen Ton, der ihm sofortige Aufmerksamkeit einbrachte, wie er längst erkannt hatte.
Urgit straffte die Schultern und zog fest an der Glockenkordel. Der große Gong auf dem Korridor dröhnte. Sofort traten zwei stämmige Gardisten ein. »Jawohl, Eure Majestät?« sagte einer.
»Nun, Kradak?« fragte Urgit. »Wofür entscheidet Ihr Euch? Die Schiffe oder den Richtblock? Redet, Mann! Meine Zeit ist kostbar!«
Kradaks Gesicht wurde fahl. »Die Schiffe, Eure Majestät«, sagte er mit zittriger Stimme.
»Sehr gut. Ich freue mich, daß wir unsere kleine Meinungsverschiedenheit auf gütliche Weise bereinigen können.« Urgit wandte sich an die Gardisten. »General Kradak begibt sich von hier direkt zur Kaserne der Dritten Kohorte. Ihr werdet ihn begleiten. Er wird die Soldaten anweisen, sich an Bord der im Hafen liegenden Schiffe zu begeben und als Verstärkung zur Garnison in Rak Cthaka zu segeln.« Er bedachte Kradak mit einem verkniffenen Blick. »Sollte er ihnen irgendwelche anderen Befehle erteilen, werdet ihr ihm sofort den Kopf abhacken, und ihn mir bringen – in einem Eimer!«
»Wie Eure Majestät befehlen«, antworteten die Murgos einstimmig, und jeder schlug die rechte Faust auf sein Kettenhemd.
Kradak drehte sich zitternd um. Zwischen den beiden grimmigen Gardisten verließ er den Saal.
Urgit behielt seine gebieterische Miene bei, bis sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, dann warf er beide Arme in die Luft, trommelte mit den Füßen auf den Boden und jauchzte vor Begeisterung. »Ihr Götter!« rief er strahlend. »Wie habe ich das genossen! Mein Leben lang wollte ich so was schon tun!«
Lady Tamazin erhob sich mit ernstem Gesicht, sie humpelte zu ihrem Sohn und umarmte ihn.
»Zuneigung, Mutter?« fragte er leichthin mit breitem Grinsen. »Wie entsetzlich unmurgosisch!« Dann lachte er laut und schloß sie stürmisch in die Arme.
»Möglicherweise besteht doch noch Hoffnung«, sagte sie ruhig zu Oskatat.
Ein Lächeln huschte über die Züge des kräftigen Murgos. »Ja, es sieht ein wenig hoffnungsvoller aus, meine Lady«, bestätigte er.
»Danke für Eure Unterstützung, Oskatat«, wandte Urgit sich an seinen Freund. »Ohne Eure Hilfe hätte ich es vielleicht nicht durchgestanden.« Er machte eine Pause. »Ich muß jedoch gestehen, daß ich mich wundere, ich dachte, Ihr würdet meinen Vorschlag nicht billigen.«
»Tue ich auch nicht. Ich halte das Ganze für absurd und von vornherein zum Scheitern verurteilt.«
Urgit blinzelte.
»Es ging jedoch noch um etwas anderes – etwas viel Wesentlicheres.« Ein ungewöhnlicher Stolz spiegelte sich auf den Zügen des großen Mannes. »Ist Euch bewußt, daß Ihr Euch zum ersten Mal bei einem Eurer Generäle durchgesetzt habt? Sie sind auf Euch herumgetrampelt, seit Ihr den Thron bestiegen habt. Der Verlust von ein paar Schiffen und einigen tausend Mann ist ein geringer Preis für einen wirklichen König auf dem Thron von Cthol Murgos.«
»Habt Dank für Eure Offenheit, Oskatat«, sagte Urgit ernst. »Es könnte jedoch durchaus sein, daß sich die Dinge nicht so katastrophal entwickeln, Wie Ihr glaubt.«
»Vielleicht. Doch Taur Urgas hätte es nicht so gemacht.«
»Es könnte auch durchaus sein, daß wir uns eines Tages eben deshalb freuen, weil Taur Urgas nicht mehr unter uns weilt, Oskatat.« Ein leicht ironisches Lächeln huschte über des Königs Lippen. »Tatsächlich empfinde ich bereits jetzt ein bißchen Freude darüber. Ich verliere diesen Krieg, alter Freund, und ein Mann, der verliert, kann es sich nicht leisten, konservativ zu sein. Ich muß einige Risiken eingehen, um zu verhindern, daß Kal Zakath durch die Straßen von Rak Urgas paradiert – mit meinem Kopf auf einer Stange.«
»Wie Eure Majestät befiehlt.« Der Seneschall verbeugte sich. »Ich werde auch einige
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