Malloreon 2 - König der Murgos
Ce'Nedra.
»Sei still, Mädchen!« zischte Belgarath.
Angespannt lagen sie in der Dunkelheit, während das Flattern sich entfernte.
»Was ist da draußen, Belgarath?« erkundigte sich Silk.
»Sie – ein sehr großes Untier«, erwiderte der Alte leise. »Ihre Augen sind nicht besonders gut, und sie ist dumm wie ein Holzklotz, aber ungemein gefährlich. Sie ist auf Jagd. Wahrscheinlich wittert sie die Pferde – oder uns.«
»Woher weißt du, daß es eine Sie ist?« fragte Durnik.
»Weil es nur noch eine einzige ihresgleichen auf der Welt gibt. Sie verläßt ihre Höhle nicht sehr oft, doch im Lauf der Jahrhunderte haben genügend Leute sie gesehen, daß es zu allen möglichen Sagen über sie kam.«
»Mir wird mulmig«, gestand Silk.
»Sie sieht nicht wirklich so aus wie die Drachen auf den Zeichnungen«, fuhr Belgarath fort. »Doch sie ist groß, und sie kann fliegen.«
»Aber Belgarath!« tadelte Durnik. »Es gibt keine Drachen!«
»Freut mich zu hören. Warum gehst du nicht hinaus und erklärst ihr das?«
»Ist sie die Kreatur, die wir in jener Nacht in den Bergen über Maragor hörten?« fragte Garion.
»Ja. Hast du dein Schwert?«
»Ja, Großvater.«
»Gut. Kriech jetzt vorsichtig hinaus und lösch die Glut mit Erde. Feuer zieht sie an. Deshalb dürfen wir das Risiko nicht eingehen, daß es unerwartet aufflammt.«
Garion schlich durch die offene Vorderseite ihres Unterschlupfs und schaufelte hastig mit den Händen Erde in die Feuergrube.
»Es ist wirklich eine fliegende Echse?« flüsterte Silk heiser.
»Nein«, antwortete Belgarath. »Eine Vogelart. Sie hat einen langen, schlangenähnlichen Schwanz, und ihr Gefieder, wenn man es überhaupt so nennen kann, sieht eher wie Schuppen als wie Federn aus. Außerdem hat sie Zähne – eine ganze Menge sehr lange, scharfe Zähne.«
»Wie groß ist sie?« fragte Durnik.
»Erinnerst du dich an Faldors Scheune?«
»Ja.«
»Etwa so groß.«
Aus größerer Entfernung erklang ein weiterer zischender Schrei, und die stumpfrote Feuerzunge war flüchtig wieder zu sehen.
»Ihr Feuer ist nicht wirklich schlimm«, erklärte Belgarath mit der gleichen leisen Stimme. »Vor allem nicht, wenn die Wälder so naß sind. Ein Problem wird es erst, wenn sie einen in trockenem Gras entdeckt. Sie ist riesig, aber nicht sehr mutig – und auf dem Boden ist sie so unbeholfen wie ein Schwein auf einem zugefrorenen Teich. Sollte es zu einem Kampf kommen, werden wir ihr wahrscheinlich nicht viel anhaben können. Wir können nur hoffen, sie so zu erschrecken, daß sie die Flucht ergreift.«
»Kämpfen?« krächzte Silk. »Das meinst du doch nicht ernst!«
»Uns bleibt vielleicht keine andere Wahl. Wenn sie hungrig ist und unsere Witterung aufnimmt oder die unserer Pferde, wird sie den Wald niederreißen, bis sie uns gefunden hat. Ein paar empfindliche Stellen hat sie, dazu gehört vor allem der Schwanz. Ihre Flügel sind ihr manchmal im Weg, dadurch kann sie etwas, das hinter ihr ist, nicht sehr gut sehen. Und ist sie auf dem Boden, kann sie sich nicht sehr schnell umdrehen.«
»Ich weiß nicht, ob ich euch recht verstehe«, sagte Silk. »Ihr möchtet, daß wir uns von hinten an diese… diese Drachin an schleichen und ihr auf den Schwanz schlagen, richtig?«
»In etwa.«
»Belgarath, habt Ihr den Verstand verloren? Warum verjagt Ihr sie nicht einfach mit Zauberei.«
»Weil sie nicht anfällig ist für Zauberei«, erklärte Polgara ruhig. »Das war eine der kleinen Verbesserungen, die Torak hinzufügte, als er und die anderen Götter ihre Spezies erschaffen hatten. Er war so begeistert von Drachen, daß er ihn als sein Wappentier erkor. Er bemühte sich auch, ihn auf jede mögliche Weise unbezwingbar zu machen.«
»Das war einer seiner Charakterfehler«, brummte Belgarath. »Jedenfalls ist die Drachin schwerfällig und dumm und nicht an Schmerz gewöhnt. Wenn wir vorsichtig sind, können wir sie wahrscheinlich in die Flucht jagen, ohne daß jemand verletzt wird.«
»Sie kommt zurück«, flüsterte Eriond.
Sie lauschten, als das Flattern der riesigen Schwingen im nassen Wald widerhallte.
»Gehen wir ins Freie«, sagte Belgarath angespannt.
»Das ist eine gute Idee.« Silk nickte. »Wenn es schon sein muß, möchte ich wenigstens viel Platz zum Davonlaufen haben.«
»Ce'Nedra«, sagte Polgara, »ich möchte, daß du dich so tief wie möglich in dieses Dickicht zurückziehst. Such dir ein Versteck.«
»Ja, Lady Polgara«, antwortete Ce'Nedra mit verängstigter
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