Malloreon 2 - König der Murgos
fingen zu zittern an, und er bemühte sich mit aller Willenskraft, sich zu fassen.
»Ist es so wichtig?« fragte Silk neugierig.
»Darum ging es also!« platzte der alte Mann heraus. »Ich wußte doch, daß es einen Grund gab, uns hierherzubringen!«
»Was ist dieses Buch der Äonen, Belgarath?« fragte ihn Ce'Nedra.
»Es gehört zu den Malloreanischen Evangelarien, dem heiligen Buch der Seher von Kell. Es sieht ganz so aus, als wurden wir hierhergeführt, damit ich das Buch in die Hand bekommen konnte!«
»Das ist alles ein bißchen zu undurchsichtig für mich, alter Freund.« Silk fröstelte. »Komm, Garion, ziehen wir uns um, ich bin durch und durch naß!«
»Wie habt ihr zwei das bloß geschafft?« erkundigte sich Sammet neugierig.
»Wir mußten auf dem Bauch durchs Gras kriechen.«
»Das würde es erklären, nehme ich an.«
»Mußt du das tun, Liselle?«
»Was tun?«
»Schon gut. Gehen wir, Garion.«
»Was tut sie denn, das dich so reizt?« fragte Garion, als die beiden durch den Korridor zur hinteren Kammer gingen.
»Ich weiß es selbst nicht so recht«, gestand Silk. »Ich habe lediglich das Gefühl, daß sie mich die ganze Zeit auslacht – und daß sie irgend etwas beabsichtigt, das sie mir nicht sagt. Aus irgendeinem Grund macht sie mich schrecklich nervös.«
Nachdem sie sich abgetrocknet und umgezogen hatten, kehrten sie in die große Stube zurück, in der auch jetzt ein Feuer wohlige Wärme und Helligkeit spendete. Toth war zurückgekommen. Er saß unbewegt auf einer Bank neben der Tür und hatte die Prankenhände auf den Knien verschränkt. Alle Spuren der Seelenqual, die Garion auf der Lichtung gesehen hatte, waren verschwunden, und seine Miene war so undeutbar wie gewöhnlich.
Belgarath saß neben dem Feuer. Er las angespannt in einem ledergebundenen Buch, das er schräg ins Licht hielt.
»Ist dies das Buch?« fragte Silk.
»Ja«, antwortete Polgara. »Toth hat es gebracht.«
»Ich hoffe, es steht was drin, was der Mühe wert ist.«
Während Garion, Silk und Toth aßen, las Belgarath weiter und drehte immer wieder ungeduldig die knisternden Seiten um. »Hört euch das an!« rief er. Er räusperte sich und fing an laut zu lesen: »So höre, mein Volk, daß durch all die endlosen Wege der Zeit eine Teilung beeinträchtigt hat, was da ist – denn selbst im Herzen der Schöpfung ist eine Teilung. Doch die Sterne und die Gei ster und die Stimmen im Gestein sprechen von dem Tag, da diese Teilung enden und alles wieder eins sein wird; denn die Schöpfung weiß, daß dieser Tag kommen wird. Zwei Geister messen sich im Mittelpunkt der Zeit, und diese Geister sind die zwei Seiten dessen, welches die Schöpfung geteilt hat. Nun wird der Tag kommen, da wir wählen müssen zwischen ihnen, und die Wahl, die wir treffen, ist die Wahl zwischen dem absolut Guten und dem absolut Bösen, und jenes, welches wir wählen – das Gute oder das Böse – wird bis ans Ende aller Tage bestehen. Doch wie können wir wissen, was gut ist und was böse?
So höre auch dies, mein Volk: Die Steine dieser Welt und aller an deren Welten murmeln ohne Unterlaß von den zwei Steinen, die im Mittelpunkt dieser Teilung liegen. Dereinst waren diese beiden Stei ne eins und befanden sich im Mittelpunkt aller Schöpfung, doch wie alles andere wurden auch sie geteilt. Und im Augenblick der Teilung wurden sie mit einer Kraft auseinandergerissen, die ganze Sonnen vernichtete. Und wo diese Steine beieinander gefunden werden, wird die letzte Begegnung zwischen den beiden Geistern stattfinden. Nun wird der Tag kommen, da alle Teilung endet und alles wieder eins sein wird – außer den beiden Steinen, denn ihre Teilung ist so ein schneidend, daß sie nicht mehr zusammengefügt werden können. Und an dem Tag, da die Teilung endet, wird einer der Steine für immer aufhören zu sein, und an jenem Tag wird auch einer der zwei Geister für alle Zeit verschwinden.«
»Wollen sie damit behaupten, daß das Auge nur die Hälfte dieses ursprünglichen Steines ist?« rief Garion ungläubig.
»Und die andere Hälfte ist der Sardion«, bestätigte Belgarath. »Das erklärt eine Menge.«
»Ich wußte nicht, daß es eine Verbindung zwischen den beiden gibt.«
»Ich auch nicht. Aber es paßt irgendwie zusammen, nicht wahr? Alles an dieser ganzen Geschichte ist von Anfang an paarweise gekommen: Zwei Prophezeiungen, zwei Bestimmungen, ein Kind des Lichts und ein Kind der Finsternis – da ist es doch nur logisch, daß es auch zwei Steine gibt,
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