Malory
ohnedies keinen Sinn dahinter, deine übrige Familie kennenzulernen.«
»Der Bursche hat dir doch nicht etwa die Schneid abge-kauft?«
»Keineswegs«, erklärte sie bockig und bedachte ihn ob dieser Unterstellung mit einem finsteren Blick.
»Weshalb ziehst du dann so ein schiefes Gesicht? Im Gegensatz zu deiner wird dich meine Familie anbeten. Und mit Roslynn wirst du prächtig auskommen. Sie ist, glaube ich, nur ein paar Jahre älter als du.«
»Deine Schwägerin Roslynn? Die meine Gegenwart hier im Haus bestimmt nicht dulden wird? Mit welchem deiner Brüder ist sie überhaupt verheiratet?«
»Natürlich mit Anthony. Dies ist doch sein Haus.«
»Du willst damit sagen, daß er verheiratet ist?«
»Er hat sich einen Tag, bevor ich dich getroffen habe, die Fesseln anlegen lassen, und am nächsten Tag war's auch schon wieder vorbei mit seinem Eheglück. Als ich abreiste, hatte er bereits den ersten Krach mit seiner kleinen schottischen Braut. Ach, ich bin gespannt, wie der Bursche jetzt mit ihr zu Rande kommt, nachdem mir Jeremy erzählt hat, daß er nicht mehr in der Hundehütte übernachten muß.«
»Das wäre auch für dich kein schlechter Platz«, bemerkte sie spitz. »Das hättest du mir auch schon vorher alles erzählen können, James.«
Nachlässig zuckte er mit den Schultern. »Hab doch nicht wissen können, daß du so an meiner Familie interessiert bist? Deine interessiert mich ja auch nicht die Bohne. Na, na, was hast du denn?« fragte er verblüfft, als sie sich mit beleidigt vorgeschobenem Kinn abwendete. »Das ist doch kein Angriff gegen dich, Schätzchen, wenn ich diese Barbaren, die du deine Brüder nennst, auf den Tod nicht ausstehen kann.«
»Mein Brüder hätten sich auch ganz anders benommen, wenn du nicht absichtlich diesen Streit vom Zaun gebrochen hättest. Möchte mal wissen, wie deine Familie reagiert hätte, wenn ich mich hier so unmöglich aufgeführt hätte.«
»Die hätten dich auf alle Fälle nicht zu Klump geschlagen oder dich zum Tyburn Hill an den Galgen geschleppt.«
»Das vielleicht nicht, aber sie hätten mich bestimmt nicht mit Liebenswürdigkeiten überschüttet. Bestenfalls werden sie denken, du hättest den Verstand verloren, mich hierher mitzubringen.«
In sich hineinlachend kam er hinter ihr her. »Ganz im Gegenteil, meine Teuerste. Du kannst reden oder anstellen was du willst, du wirst merken, daß das nichts an ihrer Willkom-mensfreude ändern wird.«
»Warum nicht?«
»Weil du durch mich eine Malory geworden bist.«
»Und was ist daran so besonders?«
»Das wirst du noch früh genug erfahren, vorausgesetzt, du beeilst dich mit dem Anziehen. Soll ich dir ein wenig behilflich sein?« fragte er lüstern grinsend und legte seine Arme um sie.
Ärgerlich schlug sie seine Hand beiseite, die nach ihrem Hemdsaum gegriffen hatte. »Finger weg, ich denke, ich kann auf deine Hilfe verzichten. Wessen Kleider sind das überhaupt? Roslynns?«
»Das wäre einfacher gewesen. Nein, sie ist im Augenblick ein wenig dicker als du. Ich habe jemanden zu Regan geschickt, die hat glücklicherweise genau deine Größe.«
Georgina drehte sich aus seinen Armen und schubste ihn weg. »Regan? Ach ja, du meinst die, die dich einen ›Frauenkenner‹ genannt hat, anstatt einen schamlosen Weiberhelden?«
»Vergißt du eigentlich nie etwas?« seufzte er schwermütig, was sie geflissentlich überhörte.
»Bis eben war ich immerhin der Meinung, es handelte sich bei Regan um einen deiner Kumpanen.« Dann bohrte sie ihm plötzlich ihren Zeigefinger in die Brust und stellte ihn zur Rede: »Also, wer ist sie? Eine deiner ehemaligen Gespie-linnen?« keifte sie. »Wenn du es tatsächlich wagst, mir die Kleider von deiner abgelegten Bettgenossin anzudrehen, James Malory, dann gnade dir ...«
Sein schallendes Gelächter ließ sie auf der Stelle verstum-men. »Es bricht mir schier das Herz, diese wunderbare Eifer-suchtsszene unterbrechen zu müssen, George, aber Regan ist meine geliebte Nichte.«
Sie hielt einen Moment vor Überraschung die Luft an und meinte verdutzt: »Deine Nichte?«
»Die wird sich kringeln, wenn sie erfährt, was du gedacht hast.«
»Um Himmels willen, sag ihr das bloß nicht!« wehrte sie bestürzt ab. »Es ist doch keine so abwegige Vermutung, bei einem so verkommenen Subjekt wie dir?«
»Diesen Vorwurf weise ich entschieden zurück«, meinte er, sein Tonfall schon eine Spur trockener. »Zwischen einem Weiberhelden und einem verkommenen Subjekt liegen Wel-ten, meine
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