Malory
erstaunt die Luft an.
Noch niemals hatte sie etwas derart Wunderschönes gesehen; das Porzellan war so dünn, beinahe durchscheinend, und mit einem orientalischen Motiv in purem Gold bemalt.
Nun verstand sie und wollte dieses kostbare antike Kleinod abstellen, bevor sie es noch aus Versehen zerbrach.
Ganz vorsichtig war sie dabei, es zurück auf den Schreibtisch zu stellen, als sie die erleichterten Seufzer ihrer Brüder vernahm und im letzen Moment ihre Meinung änderte.
Mit einer hochgezogenen Augenbraue, der Miene, die sie einst an einem gewissen englischen Kapitän so irritierend gefunden hatte, fragte sie Clinton scheinheilig: »Wertvoll, sagtest du?«
Boyd stöhnte. Warren drehte sich weg, damit sie ihn nicht fluchen hören konnte, was allerdings überflüssig war, nachdem er beinahe jedes Wort brüllte. Drew schmunzelte bloß, während Clinton wieder seine Gewittermiene aufsetzte.
»Das ist Erpressung, Georgina«, murrte Clinton zwischen zusammengebissenen Zähnen.
»Überhaupt nicht. Eher reiner Selbstschutz. Außerdem will ich mir dieses exklusive Stück noch ein wenig ansehen ...«
»Eins zu null für dich, Kleine. Ich finde, wir sollten uns alle zusammen hinsetzen, dann kannst du die Vase auf den Schoß nehmen.«
»Da bin ich ganz deiner Meinung.«
Clinton hatte allerdings nicht damit gerechnet, daß sie seinen Platz hinter dem Schreibtisch einnehmen würde und fing schon wieder ein wenig an zu kochen. Georgina hatte das Spiel ganz bewußt auf die Spitze getrieben und genoß das Gefühl, ihre Brüder so vereint vor sich zu haben.
»Würdet ihr mir jetzt vielleicht einmal erklären, warum ihr so sauer auf mich seid? Alles was ich getan habe war, nach ...«
»... nach England zu segeln«, brüllte Boyd. »Ausgerechnet England! In die Höhle des Löwen, wie du sehr wohl weißt.«
»So schlimm war es nun auch wieder nicht ...«
»Und ganz allein!« betonte Clinton. »Allein, verflucht noch mal! Wie konntest du nur?«
»Mac war doch dabei.«
»Er ist nicht dein Bruder.«
»Ach, nun hör schon auf, Clinton, er ist wie ein Vater für uns, das weißt du ganz genau.«
»ja, aber er ist viel zu nachgiebig mit dir. Ihm kannst du doch leicht auf der Nase herumtanzen.«
Dies zu bestreiten wäre sinnlos gewesen, denn alle wuß-
ten, wie recht er damit hatte. Georginas Wangen röteten sich, als sie daran dachte, daß sie niemals ihr Herz, schon gar nicht ihre Unschuld, an so einen englischen Schurken wie James Malory verloren hätte, wenn einer ihrer Brüder an Macs Stelle gewesen wäre. Sie wäre ihm nicht einmal begegnet, hätte niemals solche Leidenschaft, aber auch nicht solche Qualen, kennengelernt. Und sie würde kein Kind unter ihrem Herzen tragen, das bald den größten Skandal auslösen würde, den Bridgeport je erlebt hatte. Zum Teufel mit diesem Wenn und Aber!
»Vielleicht war ich ein wenig impulsiv ...«
»Ein wenig?!« Warren war nicht gerade auf dem Wege, sich zu beruhigen.
»Schön, dann eben zu impulsiv. Aber es spielt doch eine Rolle, warum ich das getan habe!«
»Ganz und gar nicht!«
»Es gibt überhaupt keine Entschuldigung dafür«, setzte Clinton noch eins drauf, »daß du uns derart in Aufregung versetzt hast. Das war unverzeihlich, egoistisch ...«
»Aber ihr hättet es doch erst erfahren sollen, nachdem ich wieder zu Hause gewesen wäre«, verteidigte sie sich. »Ich wollte doch lange vor euch wieder hier sein. Was macht ihr eigentlich zu Hause?«
»Das ist eine lange Geschichte, die mit dieser Vase zusammenhängt, aber schweif nicht vom Thema ab, Georgie. Du hattest keinerlei Veranlassung, nach England zu fahren, und hast es trotzdem getan. Du kanntest unsere Einstellung zu diesem verdammten Land, und bist trotzdem dorthin gefahren.«
Drew hatte genug. Als er Georgina unter der Last der Anschuldigungen immer mehr zusammensinken sah, regte sich sein Beschützerinstinkt und er fuhr dazwischen: »Du hast ja recht, Clinton, aber Georgie hat schon genug gelitten, mach ihr doch nicht noch mehr Kummer.«
»Ach was, die braucht eine gehörige Abreibung«, ließ Warren nicht locker. »Wenn Clinton darauf verzichtet, meinetwegen. Ich aber nicht!«
»Aus dem Alter ist sie doch schon raus, findest du nicht?«
fragte Drew in die Runde, ganz vergessend, daß er derselben Ansicht war, als er sie in Jamaika getroffen hatte.
»Frauen sind nie zu alt für eine Tracht Prügel.«
Diese mürrische Feststellung sorgte erst einmal für Schweigen: Drew grinste, Boyd schmunzelte und
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