Malory
so. Mein Bruder Warren denkt wie du, aber das ist falsch.«
»Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber in meinem Leben hat es nie eine große Liebe gegeben. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich war schließlich oft genug der Nutznießer ihres Ehebruchs. Nur Idioten heiraten, weil sie keinen blassen Dunst haben, was auf sie zukommt.«
Eine Antwort in der Art hatte sie schon beinahe erwartet.
Dieselben Sprüche wie ihr Bruder. Dabei hatte der wenigstens einen Grund, niemals heiraten zu wollen und die Frauen derart abscheulich zu behandeln: Eine Frau, die er heiraten wollte, hatte ihn vor vielen Jahren ganz grausam betrogen. James hingegen hatte kein solches Erlebnis gehabt, er war einfach der gewissenlose Weiberheld, als den er sich selbst bezeichnet hatte. Und er schämte sich dessen nicht einmal.
»Komm Kleine, der Kerl wird dich schon nicht' verprü-
geln«, tröstete sie Mac. »Brauchst nich' zu heulen, sieh lieber zu, daß du nach unten und aus seinem Blickfeld verschwindest. Derweilen kann sich Drew beruhigen, bevor er die ganze Wahrheit erfährt.«
»Die ganze Wahrheit?«
»Daß wir für unsere Passage arbeiten mußten.«
»Oh das«, schniefte sie, dankbar, daß Mac annahm, sie wä-
re wegen Drew so zerknirscht. »Ich glaube nicht, daß jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist. Müssen wir ihm das überhaupt erzählen?«
»Willst du etwa deinen eigenen Bruder belügen?«
»Immerhin hat er mir Prügel angedroht«, erinnerte sie ihn und machte ein ängstliches Gesicht. »Und das ist Drew.
Drew, verstehst du? Ich bin nicht allzu scharf auf seinen Kommentar, wenn er hört, daß ich die ganze Zeit über mit einem verdammten Engländer in einer Kabine geschlafen habe.«
»Aha, jetzt weiß ich wie der Hase läuft. Du meinst, eine kleine Notlüge könnte nich' schaden, und von dem gestohle-nen Geld erzählen wir besser auch nichts. Das dicke Ende kommt sowieso noch, denke ich, wenn dich deine anderen Brüder in die Mangel nehmen.«
»Danke Mac, du bist wirklich der netteste ...«
»Georgina!« ließ sich Drews polternde Stimme warnend vernehmen. »Mein Gürtel wartet schon!«
Erschrocken fuhr sie herum. Zum Glück machte er nicht Ernst, doch sein Blick sagte ihr, daß es besser wäre, augenblicklich zu verschwinden. Georgina hingegen trat kühn einen Schritt auf ihn zu und sah an dem baumlangen Kapitän der Triton hoch.
»Du bist vielleicht ein unsensibler Klotz, Drew. Malcolm hat eine andere Frau geheiratet, und alles, was dir einfällt, ist mich anzubrüllen«, schluchzte sie herzerweichend und brach in Tränen aus.
Mac schnaufte angewidert. Noch nie hatte er einen Mann so plötzlich seinen Ärger vergessen sehen. Georginas Tränen hatten Drew im Handumdrehen entwaffnet.
27. Kapitel
Georgina fühlte sich wieder ein wenig besser und zuversichtlicher, nachdem Drew so teilnahmsvoll und mitfühlend auf ihren Liebeskummer reagiert hatte. Natürlich war er der Überzeugung, sie weinte die bitteren Tränen wegen Malcolm, und sie dachte nicht im Traum daran, ihm diese Illusion zu nehmen. Nein, ihre ganzen Gedanken und Gefühle drehten sich um einen anderen, dessen Name nie genannt wurde, außer wenn von dem Kapitän des Schiffes die Rede war, das sie nach Jamaika gebracht hatte.
Doch richtig wohl war ihr nicht in ihrer Haut, ihren Bruder derart zu belügen, und schon mehrmals war sie drauf und dran gewesen, ihm reinen Wein einzuschenken.
Andererseits wollte sie ihn nicht aufs Neue verärgern.
Seine Wut hatte sie wirklich überrascht. Er war doch eigentlich immer der Spaßvogel in der Familie gewesen, der sie ständig geneckt hatte und sie jederzeit zum Lachen bringen konnte. Das hatte er auch diesmal geschafft, ohne jedoch zu wissen, was die wirkliche Ursache ihres entsetzlichen Kummers war.
Irgendwann würde er es erfahren. Alle würden es erfahren. Doch das folgenschwere Geständnis konnte noch eine Weile warten, bis der Schmerz ein wenig abgeklungen, und sie herausgefunden hatte, wie der Rest der Familie auf ihren unerlaubten Ausflug reagieren würde. Immerhin war der noch das geringste Übel im Vergleich zu dem, was ihnen an Schrecken bevorstand, wenn sie in einem Monat oder zwei Georginas Antwort auf ihre Frage hören würden, wessen Ba-by sie unter dem Herzen trage. Was hatte James über seinen Bruder Jason erzählt? Daß er gelegentlich an die Decke ging?
Hah, das war doch gar nichts. Sie hatte fünf von diesem Kaliber zu Hause!
Nun da sie vom Pfade der Tugend abgewichen war, war sie
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