Malory
lieben Brüdern ordentlich verprügelt. Doch darum geht es jetzt auch gar nicht. Glaubst du, ich habe den weiten Weg gemacht, um mich nun von dir verrückt machen zu lassen, oder gar meine Pläne zu ändern?«
»Was hast du überhaupt für Pläne?«
Diese gezielte Frage brachte James ganz schön aus dem Konzept. »Ich hab noch keine, verdammt noch mal«, schnaubte er. »Artie, wo zum Teufel ist das Weib? Ihr zwei Schlappschwänze habt das doch hoffentlich rausgefunden, oder?«
»Jawohl, Kapitän. Sie wohnt in einem großen Haus außerhalb von Bridgeport.«
»Außerhalb? Dann kann ich sie also finden, ohne durch die ganze Stadt fahren zu müssen?«
»Schon, aber ...«
James ließ ihn gar nicht erst ausreden. »Siehst du, Connie, du hast dir wieder mal ganz umsonst Sorgen gemacht.«
»Kapitän ...?«
»Ich muß mich also nicht in der Nähe des Hafens herumdrücken?«
»Merde!« fluchte Henry im breitesten Französisch und funkelte seinen Freund böse an. »Wann willst du's ihm denn sagen, mon ami? Etwa wenn er schon im Haus des Tigers sitzt?«
»Eh, du meinst wohl Haus des Löwen, Henry? Außerdem bin ich doch gerade dabei.«
Jetzt war James wieder ganz Ohr. »Höhle des Löwen heißt das, meine Herren. Und wenn ich eine solche betrete, dann habe ich wohl etwas Wesentliches übersehen, nehme ich mal an? Und was wäre das?«
»Nur die unbedeutende Tatsache, daß der Familie des Mädchens die Skylark-Linie gehört, und die Brüder allesamt gestandene Kapitäne sind.«
»Verdammter Mist«, murmelte Connie, und James fing an zu lachen.
»Mein Gott, das ist ja wirklich komisch. Sie hat mir einmal gesagt, daß sie ein Schiff besitzt, aber ich hab das als Unsinn abgetan, dachte, sie hat nur eine große Klappe.«
»Sieht ganz so aus, als wäre sie eher bescheiden gewesen«, stellte Connie fest. »Aber komisch ist daran überhaupt nichts, James. Du kannst doch nicht...«
»Natürlich kann ich. Ich muß nur einen günstigen Zeitpunkt abwarten, bis sie allein im Haus ist.«
»Na, heute jedenfalls nicht, Kapitän. Sie geben heute abend eine große Gesellschaft. Die halbe Stadt ist eingeladen.«
»Sie feiern, daß die Familie einmal vollzählig zu Hause versammelt ist, das kommt bei denen scheinbar nur alle hei-ligen Zeiten vor.«
»Jetzt weiß ich, warum ihr so lange gebraucht habt. Ich hab euch geschickt, um ihren Aufenthaltsort herauszufinden, und ihr erzählt mir die ganze Familiengeschichte. Also, was gibt es sonst noch Interessantes zu berichten? Ihr habt wohl nicht zufällig herausgefunden, was sie in England gemacht hat?«
»Ihren Zukünftigen gesucht.«
»Zukünftigen wen?«
»Ihren Verlobten«, erklärte Henry.
James richtete sich langsam auf, und die anderen drei erkannten sofort die drohende Gefahr. Er war schon seit Jamaika übelster Laune gewesen, doch jetzt schien ihm gleich der Kragen zu platzen.
»Sie ... ist ... verlobt?«
»Nicht mehr«, wiegelte Henry rasch ab.
»Er hat inzwischen irgendeine Engländerin geheiratet, während sie sechs Jahre auf ihn gewartet ... Aua! Verflucht, das ist mein Fuß, auf dem du rumtrampelst, Henry!«
»Eigentlich wollte ich ja deine Fresse treffen, mon ami!«
»Sie ... hat ... sechs Jahre ... gewartet?«
Artie versuchte, das Ganze etwas abzumildern: »Nun, die Engländer haben ihn damals zwangseingezogen, Kapitän.
Und dann war Krieg ... Bis Anfang des Jahres hatten sie keine Nachricht von ihm. Offiziell weiß niemand, daß sie ihren Verlobten suchen wollte, aber Henry hat sich ein bißchen nä-
her mit den Dienstmädchen ...«
»Sechs Jahre«, murmelte James vor sich hin, fügte dann aber etwas lauter hinzu: »Hört sich an, als wenn Georgie ganz schön verliebt gewesen war, hab ich recht, Connie?«
»Mensch James, daß dich das so trifft, hätte ich mir nie träumen lassen. War es nicht dein Leitspruch, daß Frauen eh nur Verwirrung stiften? Außerdem wolltest du unter allen Umständen vermeiden, daß der Fratz sich in dich verliebt, stimmt's?«
»Ja, ganz recht.«
»Und warum schaust du dann so bedrückt?«
29. Kapitel
»Wo, zum Teufel, hast du dich so lange rumgetrieben, Clinton?« fragte Drew streitsüchtig, als sein Bruder die Bibliothek betrat, den Raum, wo sich die Männer meistens trafen.
Clinton schaute fragend zu Warren und Thomas hinüber, die auf einem kastanienbraunen Sofa lümmelten, und wunderte sich über Drews ungewöhnliche Begrüßung. Doch da Drew ihnen nichts darüber erzählt hatte, warum er so ungeduldig auf Clintons
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