Malory
Rückkehr wartete, zuckten die beiden nur unwissend mit den Schultern.
An seinem Schreibtisch angekommen, antwortete Clinton:
»Gewöhnlich arbeite ich, wenn ich zu Hause bin. Ich habe den Morgen in den verschiedenen Skylark-Büros verbracht.
Warum hast du nicht Hannah gefragt, die hätte es dir gesagt?«
Drew hatte die versteckte Rüge nicht überhört und erröte-te ein wenig, weil er nicht daran gedacht hatte, die Köchin zu fragen.
»Hannah war viel zu beschäftigt mit den Vorbereitungen für heute abend, ich wollte sie nicht stören«, entgegnete er.
Clinton verkniff sich ein Schmunzeln. Ganz selten sah er Drew so aufgebracht, und jedesmal kam es überraschend.
Doch heute wollte er ihn nicht noch mehr auf die Palme bringen. Warren hingegen kannte da keine Skrupel.
»Du hättest ja auch mich fragen können, du Sturkopf«, lachte Warren in sich hinein. »Ich hätte dir sagen können ...«
Drew war schon beinahe am Sofa, bevor Warren seinen Satz zu Ende sprechen konnte, und so ließ er es besser bleiben. Er erhob sich vom Sofa und stand seinem jüngeren Bruder so na-he gegenüber, daß sich ihre Gesichter beinahe berührten.
»Drew!«
Die Warnung mußte nochmals etwas lauter wiederholt werden, bis Drew sich umdrehte und Clinton anstarrte. Der letzten Meinungsverschiedenheit, die die beiden miteinander in der Bibliothek ausgefochten hatten, waren zwei Lampen und ein Tisch zum Opfer gefallen, der Schreibtisch konnte zum Glück repariert werden.
»Vielleicht erinnert ihr euch daran, daß wir heute abend Gäste haben«, mahnte Clinton streng. »Und wenn die halbe Stadt hier aufkreuzt, werden wir diesen Raum hier noch nö-
tig brauchen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir ihn nicht noch vorher renovieren müßten.«
Warren entspannte seine geballten Fäuste und setzte sich wieder hin. Thomas schüttelte fassungslos den Kopf.
»Was bereitet dir denn solches Kopfzerbrechen, Drew.
Warum hast du es denn nicht mit mir oder mit Warren be-sprochen?« erkundigte er sich in besänftigendem Ton. »Du mußtest doch nicht warten, bis ...«
»Keiner von euch war letzte Nacht zu Hause, nur Clinton«, schnauzte Drew und schwieg dann, als würde seine Antwort alles erklärt haben.
Betont ruhig entgegnete Thomas: »Du bist selbst gestern ausgewesen, nicht wahr? Was soll das also?«
»Ich will verdammt noch mal wissen, was passiert ist, während ich weg war«, ging er wieder auf seinen ältesten Bruder los. »Hast du Georgie am Ende doch noch verprü-
gelt?«
»Nein, wie kommst du darauf?«, wollte Clinton beleidigt wissen.
»Hättest du ruhig machen sollen«, gab Warren seine Meinung zum besten. »Eine richtige Tracht Prügel hätte ihr das schlechte Gewissen genommen.«
»Was für ein schlechtes Gewissen?«
»Daß sie uns solche Sorgen bereitet hat. Jetzt schleicht sie den ganzen Tag mit hängenden Ohren durchs Haus ...«
»Wenn, dann allein wegen Cameron, darüber ist sie noch nicht hinweg. Sie hat ihn so geliebt ...«
»So ein Unsinn«, höhnte Warren spöttisch. »Sie hat diesen kleinen Schuft niemals geliebt. Sie wollte ihn einfach, weil er der bestaussehendste Bursche war, den die Stadt zu bieten hatte, obwohl ich das nie richtig verstehen werde.«
»Wenn das so ist, lieber Bruder, warum hat sie dann eine geschlagene Woche geheult, nachdem wir Jamaika verlassen haben? Ihre roten, geschwollenen Augen sind mir echt an die Nieren gegangen. Aber ich habe es geschafft, sie wieder aufzuheitern. Deshalb möchte ich jetzt wissen, warum sie wieder so traurig ist. Hast du etwas zu ihr gesagt, Clinton?«
»Ich hab' kaum zwei Worte mit ihr gewechselt. Die meiste Zeit des Abends hat sie in ihrem Zimmer verbracht.«
»Hat sie wieder geweint, Drew?« erkundigte sich Thomas vorsichtig. »Bist du deshalb so aufgebracht?«
Drew vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen und bemerkte schroff: »Ich kann das nicht ertragen, ich kann es einfach nicht.«
»Dann gewöhn dich dran, Dummkopf«, warf Warren dazwischen. »Frauen verstehen es glänzend, zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten zu heulen.«
»Von einem zynischen Esel erwartet allerdings niemand, daß er zwischen echten und gespielten Tränen unterscheiden kann«, konterte Drew.
Clinton war schon bereit einzugreifen, als er bemerkte, daß Warren drauf und dran war, Drew wegen dieser Bemerkung an die Gurgel zu springen. Doch das war nicht nötig.
Thomas besänftigte Warren ein wenig, indem er die Hand auf seinen Arm legte und verneinend den Kopf
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