Malory
erscheinen, die ich bei der Gartenarbeit trage?«
»Tu nicht so unschuldig, du weißt ganz genau, wovon ich spreche«, grollte er finster. »Dieses Kleid ist viel zu... viel zu ...«
»Mit diesem Kleid ist alles in Ordnung. Mrs. Mullins, meine Schneiderin, hat mir versichert, daß es außerordentlich geschmackvoll ist.«
»Dann hat deine Mrs. Mullins keinen.«
»Keinen was?«
»Keinen Geschmack.«
Georgina schnaufte, und ihre schokoladenbraunen Augen verengten sich gefährlich zu schmalen Schlitzen. Drew sah ein, daß es klüger war, einen Rückzieher zu machen: »Schau, Georgina, ich spreche ja nicht von dem Kleid als solchem, sondern davon, was es offenbart, wenn du verstehst, was ich meine?«
»Ich habe dich sehr wohl verstanden, Drew Anderson«, entgegnete sie indigniert. »Soll ich mich vielleicht wie eine alte Jungfer anziehen, nur weil dir der Schnitt meines Mieders nicht gefällt? Ich möchte wetten, daß du dich bei anderen Frauen noch nie über diese Mode mokiert hast, oder täusche ich mich da?«
Sie täuschte sich tatsächlich nicht, und deshalb beschloß er, das Thema fallenzulassen. Verflucht, jetzt hatte sie ihm aber heimgeleuchtet. Daß sie zu einer kleinen Schönheit er-blüht war, das hatte er ja bemerkt, doch dies war entschieden zuviel des Guten.
Georgina tat es beinahe ein wenig leid, Drew so überfahren zu haben. Wenn sie richtig darüber nachdachte, hatte sie die letzten Male, als Drew zu Hause war, keine Gelegenheit, sich so festlich herauszuputzen. Die ganzen letzten Jahre hatte er sie nur in ihren bescheidenen Alltagskleidern gesehen - und zuletzt in Männerklamotten. Sie hatte sich dieses Kleid im vergangenen Jahr zu Weihnachten für den alljährlichen Ball bei den Willards nähen lassen, doch wegen der schrecklichen Kälte damals hatte sie sich kurzfristig für eine andere Robe entscheiden müssen. Der klassische griechische Schnitt war jedoch noch immer hochaktuell, ebenso das hauchdünne Material, blaßrosa Batist auf weißer Seide. Und das Rubincollier ihrer verstorbenen Mutter schmeichelte ihrem blühenden Dekollete, über das Drew sich so aufgeregt hatte.
Seine Bedenken waren jedoch lächerlich. Sie war weit davon entfernt, sich in aller Öffentlichkeit zu entblößen. Eine gut handbreit bestickte Borte bedeckte ihre Brüste, weit mehr, als sie an den Kleidern anderer Damen ausmachen konnte, und von der Spalte zwischen ihren Wölbungen war nur ganz wenig zu sehen.
»Geht in Ordnung, Drew«, feixte sie versöhnlich. »Ich verspreche dir hoch und heilig, nichts fallenzulassen, und wenn, dann werde ich jemanden bitten, es für mich aufzuhe-ben.«
Taktvoll nahm er ihr Versprechen entgegen. »Ja, dann sieh dich vor«, konnte sich jedoch den Zusatz nicht verkneifen:
»Im übrigen kannst du froh sein, wenn Warren dir nicht einen Sack über den Kopf stülpt!«
Das waren ja reizende Aussichten, um einen vergnügten Abend zu verbringen: Ihre Brüder wie Schießhunde an ihrer Seite, die jeden Mann genau unter die Lupe nehmen würden, der es wagte, sich ihr zu nähern, oder die sie pausenlos umringen würden, damit erst keiner auf diese Idee kam.
»Was hast du denn damit vor?« deutete sie auf die Vase, die er in der Hand hielt, um das Thema zu wechseln.
»Ich will mir nur mal näher ansehen, was uns unsere Chi-nareise gekostet hat.«
Georgina hatte die Geschichte noch am Abend ihrer Rückkehr erfahren. Diese Vase war nicht eine gewöhnliche Anti-quität, sondern ein unbezahlbares Stück aus der Tangdyna-stie und ungefähr neunhundert Jahre alt. Warren hatte sich auf ein Glücksspiel eingelassen, in dessen Verlauf er sogar sein Schiff gegen diese Vase gesetzt - und Gott sei Dank gewonnen hatte. Wenn sie nicht erfahren hätte, daß Warren an diesem Abend sturzbetrunken gewesen war, sie hätte es nicht glauben können, denn die Nereus war immer das Wichtigste in Warrens Leben.
Clinton war an diesem Abend mit dabeigewesen und hatte nicht einmal den Versuch gemacht, Warren diesen Wahnsinn auszureden; es hätte auch wenig Sinn gehabt. Offensichtlich wollte auch er diese Vase unbedingt besitzen, und nahm dafür den Verlust eines Skylarkschiffes ohne mit der Wimper zu zucken in Kauf, denn diese Vase war unbezahlbar.
Was allerdings keiner der beiden geahnt hatte war, daß dieser chinesische Kriegsherr mit keiner Silbe daran dachte, die Wette einzulösen, wenn er verlieren würde - und er hatte verloren. Eine Gruppe seiner Gefolgsleute verfolgte sie und griff sie an, als sie auf dem Weg
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