Malory
vorgeschlagen, ich sollte jede der anwesenden Damen fragen, ob sie meine Mutter ist.«
Diese spöttische Bemerkung konnte er sich nicht verknei-fen.
»Das hast du doch nicht etwa getan!«
»Nein, Miriam, ich habe es nicht getan. Nachdem du die Wunde aufgerissen hattest, wurde sie von meiner Frau geheilt. Sie zwang Ellie, mir alles zu beichten. Jetzt kenne ich endlich die ganze Geschichte, und ich wollte dir sagen, daß es mir leid tut, was du durchgemacht hast, Miriam, nachdem ich jetzt die Zusammenhänge verstehe.«
»Wage es bloß nicht, Mitleid mit mir zu haben!« schrie sie ihn verblüfft an.
»Wie du wünschst«, erwiderte er steif, und der Entschluß, den er im Lauf der Nacht gefaßt hatte, bereitete ihm jetzt kein Unbehagen mehr. »Ich habe dich in die Bibliothek gebeten, um dir mitzuteilen, daß es unter den gegebenen Umständen nicht länger wünschenswert ist, daß du in Silverley lebst. Such dir irgendwo ein Haus, mög-lichst weit weg von hier. Ich werde es dir kaufen. Mein Vater hat dir ein bescheidenes Einkommen hinterlassen. Ich werde etwas drauflegen. Mehr schulde ich dir nicht.«
»Bestechung, Nicholas?« höhnte sie.
»Nein, Miriam.« Er hatte das alles gründlich satt.
»Wenn du die Welt darüber unterrichten willst, daß du es nicht warst, die deinem Mann einen Erben geschenkt hat, dann tu das doch bitte. Meine Frau weiß es und macht sich nichts daraus, und das ist das einzige, was für mich zählt.«
»Du meinst es wohl ernst, oder?«
»Ja.«
»Du Bastard!« fauchte sie wütend. »Du glaubst, jetzt hast du es geschafft, stimmt's? Aber warte nur ein paar Jahre, und deine geschätzte Frau wird dich hassen - wie ich deinen Vater gehaßt habe.«
»Sie ist nicht wie du, Miriam.« Er lächelte.
»Ich habe dieses Silverley immer gehaßt. Ich bin nur geblieben, um dich von hier fernzuhalten.«
»Das weiß ich, Miriam«, sagte er ruhig.
»Ich bleibe keinen Moment länger. Und du kannst sicher sein, daß das, was ich mir aussuche, kein kleines Häuschen, sondern ein prächtiges Schloß sein wird.«
Sie stolzierte aus dem Zimmer, und er atmete erleichtert auf. Es war ihm ein Vermögen wert, endlich sein Zuhause wieder für sich zu haben, ohne Miriams Bitterkeit.
Wenige Stunden später fuhr eine Kutsche die Auffahrt hinunter, und Nicholas' Tante Miriam saß darin. Die drei Menschen, die auf der Schwelle standen, seufzten wie aus einer Kehle, als ihr nachsahen. Eleanor begab sich daraufhin wieder ins Haus, aber Nicholas blieb noch eine Weile stehen, die Arme um seine Frau geschlungen. Er drückte sie an sich, ihre Wange lag auf seiner Brust.
Sie blieben zu lange dort stehen, denn kurz darauf tauchten am hinteren Ende der langen Zufahrt zwei Kutschen auf. Nicholas zuckte zusammen und wurde dann wieder lockerer. Na und, zum Teufel. . . Wenn Regina sie liebte, dann waren sie vielleicht doch nicht gar so übel.
»Die nächste Invasion«, murmelte er trocken.
»Wage es nicht, davonzulaufen, Nicholas Eden«, schalt Reggie.
Sie hielt ihn aufgeregt fest. Jason und Derek und die Hälfte von Edwards Nachkommenschaft ergossen sich aus der vorderen Kutsche. Jason war der erste, der Nicholas herzlich i n seine Arme zog.
»Es freut mich zu sehen, daß du deine Sinne wieder bei-sammen hast, mein Junge. James hat gesagt, du hättest es kaum erwarten können, deinen Sohn zu sehen. Ich hoffe, deine Geschäfte werden dich in Zukunft nicht allzu oft in die Ferne führen.«
»Nein, ganz bestimmt nicht«, antwortete Nicholas mit Mühe, denn bei dem, was James gesagt hatte, sträubten sich seine Haare. Ein solcher Lügner!
Derek kam als nächster, und er wurde besonders herzlich umarmt. »War aber auch an der Zeit, daß du uns endlich mal einlädst, Alter.«
»Schön, dich zu sehen, Derek.«
Dann erschienen die Kusinen und Edward und seine Frau und die ganze Meute eilte unter fröhlichem Geplauder auf das Haus zu. Doch dann fiel Nicholas' Blick auf James und Anthony, die neben einer Kutsche standen und ihn finster ansahen. Er wandte sich ab, um ins Haus zu gehen, und dabei murmelte er etwas von wegen unge-betene Gäste vor sich hin. Reggie hörte ihn und sah ihren jüngeren Onkel stirnrunzelnd an. »Wagt es nicht, und zwar keiner von euch beiden!« warnte sie, denn sie wußte, daß sie sich nicht deutlicher ausdrücken brauchte.
Sie verstanden es. »Ich liebe ihn und er liebt mich. Und wenn ihr beiden euch nicht mit ihm anfreunden könnt, dann werde ich. . . Dann werde ich nie mehr ein Wort mit euch
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