Malory
hatte sie bereits erzählt, wie es ihr in der Zwischenzeit ergangen war. Evelyn hatte beinahe sofort danach gefragt und wollte die ganze Geschichte hören. Sonderlich überrascht schien sie über das Gehörte nicht zu sein, erklärte es doch, warum es ihr nie gelungen war, Danny zu finden. Sie hatte nie daran gedacht, in den Armenvierteln Londons zu suchen.
»Ich dachte, du wärst tot«, sagte Evelyn jetzt. »Nach Jahren der Suche hatte ich schließlich jede Hoffnung aufgegeben. Und dann kamen die Betrüger. Die Mädchen hatten alle deine Augen. Ansonsten sahen sie dir allerdings nicht ähnlich. Nun kann sich die Haarfarbe ja mit der Zeit verändern, auch die gesamte Erscheinung, aber nicht die Augen. Die Mädchen müssen von jemandem angelernt worden sein, der meine Familie sehr gut kannte.«
»Wie viele waren es insgesamt?«, erkundigte sich Jeremy.
»Drei. Das erste Mädchen war zehn, und sie hat mich am längsten getäuscht. Fünf Jahre vergingen bis zum nächsten Versuch, dann zwei weitere bis zum letzten. Ich hatte das Gefühl, dass Roberts Cousin die Mädchen ausfindig machte und ihnen beibrachte, was sie sagen sollten. Er wollte Roberts Besitz und seinen Titel. Nachdem er zunächst vergeblich versucht hatte, Danette für tot zu erklären, ist er wohl darauf verfallen, eine neue Danny zu erschaffen, eine, über die er die Kontrolle haben würde – oder die er aus dem Weg schaffen könnte, diesmal mit ausreichenden Beweisen dafür, dass sie tot war.«
»Über diesen Punkt habe ich auch schon nachgedacht«, gestand Jeremy. »Nach fünfzehn Jahren hätte Danny doch von Rechts wegen für tot erklärt werden müssen.«
»Darum hat Roberts Cousin sich auch bemüht, und er war fürchterlich wütend, als sein Antrag abgelehnt wurde. Damals lebte meine Großmutter noch, die gut mit dem Richter befreundet war.«
»Und dieser Cousin war der einzige noch lebende Verwandte Ihres Mannes?«, fragte James.
»Ja. Er war allerdings nur ein Cousin dritten Grades, noch dazu unehelich. Daher wäre Roberts Titel zunächst auf Dannys Kinder übergegangen, bevor er ihn bekommen hätte. Er hätte ihn trotzdem erhalten, wenn es ihm gelungen wäre, Danny für tot erklären zu lassen, solange sie noch keine Kinder hatte. Hast du welche?«, wandte Evelyn sich an ihre Tochter.
Danny wurde rot. »Nein, noch nicht.«
»Aber bald«, fügte Jeremy grinsend hinzu.
Evelyn seufzte. »Ich nehme an, diese Hochzeit kann ich nicht verhindern? Ich habe Danny doch gerade erst wieder gefunden, und nun soll ich sie schon wieder verlieren?«
»Nein, aber Sie können nach London kommen und bei uns wohnen, wenn Sie möchten«, bot Jeremy an.
»Das ist sehr großzügig von Ihnen«, erwiderte Evelyn.
»Aber ein frisch vermähltes Paar will ich nicht stören.
Nach London werde ich allerdings wieder ziehen, wenn ihr euch dort niederlasst; dann kann ich Danny wenigstens oft sehen. Unser altes Stadthaus habe ich abreißen und nie wieder aufbauen lassen. Nach allem, was dort passiert ist ...« Evelyn hielt inne und schauderte. »Aber ich könnte jetzt wieder eines bauen. Das Grundstück besitze ich noch.«
»An das Haus kann ich mich gar nicht erinnern«, sagte Danny.
»Das ist kein Wunder. Es war damals dein erster Ausflug nach London. Wir waren erst ein paar Tage dort gewesen; die meiste Zeit haben wir mit Einkaufsbummeln oder im Park verbracht, wo deine Amme mit dir zum Spielen hingegangen ist. Du bist also nicht sehr häufig in dem Haus gewesen vor der Nacht, in der die Morde geschehen sind. Auch ich wäre in jener Nacht mit ziemlicher Sicherheit ums Leben gekommen, wenn meine Großmutter sich nicht das Bein gebrochen hätte. Sie und ich standen einander sehr nahe, und sie war alles, was ich noch hatte. Meine Eltern waren gestorben, als ich noch klein war; danach bin ich bei meiner Großmutter aufgewachsen. Daher hatte ich auch keine Ruhe, bis ich nicht selbst gesehen hatte, dass sie gut versorgt war.«
»Du warst also hier, als es passiert ist?«
»Ich war noch nicht einmal hier angekommen, weil ich erst am Nachmittag aus London abgereist war. Die Nachricht hat mich allerdings erst hier erreicht. Ich war am Boden zerstört; fast hätte ich den Verstand verloren. Robert war die Liebe meines Lebens. Ich kannte ihn seit meinen Kindertagen; sein Familiensitz liegt ganz in der Nähe von hier. Ich bin nur für eine Saison nach London gegangen, damit er mir endlich einen Antrag machte. Verliebt waren wir damals schon; er hat nur etwas länger
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