MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)
des Schwurs! Regelmäßig trafen sich alle Mitglieder, um das Ritual zu wiederholen und die Macht des Schwurs zu erneuern. Niemals durften sie vergessen, was ihr ganzes Dasein und ihr Denken bestimmte.
Rache.
Auch den Aufbau der Gruppe trieben die beiden gemeinsam voran. Mittlerweile gehörten sechzig Männer und Frauen dazu. Alle leisteten denselben Schwur gegen die unterdrückende Verschwörung böser Allianzen aus Macht und Geld.
Es war Yago, der früh die Notwendigkeit erkannt hatte, die Stätten ihrer Herkunft zu schützen. Jene Stätten, die das Geheimnis bargen. Kein Vertriebener würde die Heimat jemals wieder betreten, das hatten sie sich geschworen. Im Jahre 1497 hatte Yago deshalb die Aufgabe des Quellenhüters geschaffen.
Der erste Quellenhüter war eine Frau, die zähe Angelica aus Sardinien. Den Ausschlag zu dieser Wahl hatte ihre Familiengeschichte gegeben. Ihr Vater, ein armer Bauer ohne Landbesitz, verlor durch die Gewalttätigkeit seines trunksüchtigen Großgrundbesitzers ein Bein. So wurde sein Dasein noch beschwerlicher. In ihrer Hochzeitsnacht nahm sich der Grundbesitzer das Recht der ersten Nacht; alles Betteln half ihr nicht. Als der betrunkene Gutsherr sich mit seinem fetten Leib auf Angelica wälzte, stürmte ihr Ehemann mit einem Dolch ins Gemach. Einen Moment lang schöpfte Angelica Hoffnung, doch noch bevor sie aufschreien konnte, packte der Kerl seinen Dolch und Augenblicke später lag ihr Lebensglück mit durchbohrtem Herzen neben ihr. Es war nicht schwer, Angelica für die Ideen der Gruppe zu gewinnen. Sie hatte am eigenen Leib
erfahren, wozu der Missbrauch von Macht und Geld führte. Wenige Monate später leistete sie den Schwur.
Als Yago ihr den ersten Posten des Quellenhüters anvertraute, war ihre Begeisterung ehrlich. So ehrlich wie das strahlende Funkeln ihrer Augen, seit ihr Leben mit der Gruppe neuen Sinn bekommen hatte. Tagsüber schuftete sie als Arbeiterin auf Ignacios enteigneter Olivenplantage, abends beobachtete sie von ihrer Hütte aus die Kapelle und wachte über die Unversehrtheit der Stätten. In den dreizehn Jahren ihres Amtes kam Angelica mehrmals nach Florenz und berichtete den Vertriebenen …
Nun, im Jahre 1523, saßen Yago und Rubén im Kontor und besprachen geschäftliche Dinge. Yago war gerade zwei Wochen unterwegs gewesen und brachte eine Menge Arbeit mit. David, Yagos Sohn, betrat das Kontor. Sofort füllte sich der Raum mit der angespannten Aura des jungen Mannes.
„Ihr habt es vergessen!“ Der junge Mann schaute seinen Vater, dem er zum Verwechseln ähnlich sah, zornig an. Die blasse Hautfarbe allerdings stammte von seiner Mutter und verleugnete ein wenig den Südländer.
„Was fällt dir ein, so mit mir zu sprechen? Nein, ich habe es nicht vergessen. Nimm meinen Glückwunsch zu deinem Geburtstag entgegen! Und mein Versprechen erfülle ich heute ebenso: Wir gehen nachher los!“
David war vergangene Woche achtzehn Jahre alt geworden. Yagos erste Frau Justyna blieb nach den schrecklichen Ereignissen in der Heimat verschollen, obwohl Angelica in ihrer Zeit als Quellenhüterin viel Mühe auf die Suche nach ihr verwandt hatte. So sah Yago vor zwanzig Jahren keinen Grund, Federicas Liebe zurückzuweisen. Zwei Jahre später wurde sein Sohn geboren.
Zu Beginn von Federicas Schwangerschaft hatten die Verliebten staunend die gerade fertiggestellte Statue vor dem Palazzo Vecchio betrachtet. Michelangelo hatte seinen David im Auftrag der florentinischen Wollweberzunft aus einem riesigen Block Carrara-Marmor erschaffen. Die Ausdruckskraft der schönen Gestalt und die Symbolik, die von David ausging, der einst den Riesen Goliath bezwungen haben soll, bewogen das Paar, ihr Kind, so es ein Junge werden würde, nach ihm zu benennen. Hinzu kam, dass es die Wollweber gewesen waren, die Yago zuerst auf die Idee mit dem Seidengeschäft gebracht hatten, jenen Geschäftszweig, der sich so erfreulich entwickelte. Dem Schwur zufolge mussten die Erstgeborenen Braulio genannt werden. Doch die gesamte Gruppe zeigte sich so beeindruckt von der hoffnungsvollen Prophezeiung, für die dieser epochale David stand, dass man feierlich eine Ausnahme bei der Namensgebung beschloss.
David entwickelte sich zu einem kräftigen Jungen von schönem Wuchs, doch mit schwierigem Charakter. Schon bei seiner Geburt beschloss Yago, ihn am achtzehnten Geburtstag einzuweihen und auf seine Lebensaufgabe vorzubereiten. Einen Tag wollte er mit ihm allein in der Herberge verbringen, die Yago
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