MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)
machen. Bevor er jedoch Hand anlegte, besann er sich und rief leise nach Violetta. Diesmal ging es schnell.
Violetta öffnete den Mund zu einem Schrei, doch ihr Bruder hielt ihr geistesgegenwärtig den Mund zu. Sie wimmerte, und Tränen liefen ihr über die Wangen.
Auch Sebastian war schockiert.
„Von wegen Siegellack“, sagte Adrian bitter.
Auf der anderen Seite des Raums knarzte eine Diele.
Florenz, frühes 16. Jahrhundert
Im Jahre 1523 waren einunddreißig Jahre vergangen, seit Yago mit seiner Gruppe Spanien verlassen hatte und nach Florenz übergesiedelt war. Die Medici hatten ihr Versprechen gehalten und sie nach der Flucht aus Spanien zu Bürgern der Stadt gemacht. Als sie damals in Florenz ankamen, wusste Yago noch nicht, was für eine Krake der wuchernde Medici-Clan bildete. Wie unterdrückend ihre versteckten Allianzen waren, die von der Familie in Handel, Produktion, Bankenwesen bis in Religion und Vatikan hinein geschmiedet und genutzt wurden. Durch geschicktes Taktieren gelang es ihnen sogar, ein Familienmitglied ins Papstamt zu befördern.
Nein, sagte Yago heute oft, wenn er das alles gewusst hätte, wäre seine Übersiedelung nach Florenz anders verlaufen. Dann hätte er auf die Unterstützung der Medici verzichtet.
Der alte Lorenzo de Medici, den man den Prächtigen nannte, starb kurz nach ihrer Ankunft, am 8. April 1492. Yago hatte daraufhin Kontakt zu Piero de Medici aufgenommen, dem Erstgeborenen Lorenzos und dessen Nachfolger. Man baute bestehende Handelsverbindungen aus und neue Geschäfte auf. Die Vernetzung mit den Medici ermöglichte Yago den Ausbau seiner geschäftlichen Aktivitäten mit anderen wichtigen Partnern. Zwei Jahre später, 1494, musste er erfahren, dass die Medici nicht das unbescholtene, makellose Geschlecht waren, das sie den Menschen vorspielten.
An jenem Abend sank Rubén, nachdem er die Strecke von der Piazza della Signoria bis zum Kontor ohne Unterbrechung gelaufen war, erschöpft auf einen Stuhl.
„Sie sind alle weg!“ Er atmete tief durch, bevor er weitersprach. „Es war nicht einfach, etwas Genaues herauszufinden“, fuhr er fort.
„Was?“
„Man hat die Medici aus der Stadt gejagt?“ Yago schnappte nach Luft. „Was redest du denn da?“
„Piero de Medici ist jetzt in Venedig. Giovanni, Giuliano und Giulio de Medici sind nach Bologna geflüchtet.“
„Sind sie unversehrt?“
„Ich glaube schon. Aber man hat ein Kopfgeld auf Piero und Giovanni ausgesetzt.“
Die Medici vertrieben … Ein schlechtes Omen für meinen geschäftlichen Erfolg, hatte Yago damals oft gedacht. Deshalb war er schon von diesem frühen Zeitpunkt in der neuen Heimat an gezwungen, sein eigenes Gespür für die Bedürfnisse der Menschen zu entwickeln, eigene Geschäftsideen zu finden. Er studierte ihre Begierden, Lüste, Wünsche, und es dauerte nicht lange, bis er etwas fand, was Erfolg versprach: Die Menschen zeigten unersättlichen Hunger auf alles, was aus Seide hergestellt wurde.
Yago baute daraufhin Handelswege und Produktionsstätten für Seide und Seidenprodukte in ganz Europa auf. Das alte Niederlassungsnetz seines Vaters legte den Grundstein für schnelle Erfolge. Außerdem reiste er in dieser Zeit häufig in den Orient. Schon im Jahr 1500 stellte der neue Zweig den wichtigsten Bereich in Yagos Geschäften dar. Einzig das später gegründete Edelsteingeschäft sollte ähnliche Erfolge verzeichnen. Die Medici spielten jetzt keine Rolle mehr.
Yago schaute seinen grauhaarigen Freund an. Das hatten sie zusammen geschafft! Alles lief, wie sein Vater es sich gewünscht hätte: Das Geschäft war erfolgreich, und die Gruppe lebte ungefährdet. Mit Strenge formte und beherrschte Yago seine Gruppe. Das machte ihn nicht zum beliebtesten Mann, aber er wurde bedingungslos als Führer akzeptiert. Schließlich verdankten ihm alle ein neues Leben, fern der alten Heimat.
Nur einer wurde Yagos Freund: Rubén, der sanfte Mittler. Ohne Rubén wäre der Zusammenhalt der Gruppe nicht so stark. Rubén konnte den Menschen Yagos schroffe Führung vermitteln. Gemeinsam schafften sie es, die Verschwörer der ersten Stunde so hinter sich zu scharen, dass sie bedingungslos den Visionen und dem großen Plan vertrauten. Immer wieder führte Yago ihnen mit scharfen Worten vor Augen, was seinem Vater in der Heimat geschehen war. Und dass ihrer aller Schicksal eine Folge davon war. Yago peitschte seiner Gruppe ins Bewusstsein, dass die geschäftlichen Erfolge nur einem Ziel dienten: der Erfüllung
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