MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)
für Treffen der Gruppe unterhielt. „Komm in zwei Stunden zurück, dann brechen wir auf.“
Von dem schweren Erbe, das die männlichen Nachkommen Ignacios auf sich nehmen mussten, wusste David wenig. Je älter er wurde, umso deutlicher spürte er, dass sein Vater im Verborgenen Dingen nachging, die nichts mit den Handelsgeschäften zu tun hatten. Seine Fragen blieben unbeantwortet. Das änderte sich erst, als er siebzehn Jahre alt wurde. Da machte der Vater zum ersten Mal eine Andeutung, dass es Geheimnisse gebe. David brannte darauf, alles zu erfahren.
Sechs Stunden später saßen Vater und Sohn in der Holzhütte, fern der Stadt. Ohne Gefahr, dass heimliche Lauscher Dinge aufschnappen konnten, die sie nichts angingen. Yago erzählte von der Heimat und von Davids Großvater, der den Grundstein ihres Wohlstands gelegt hatte. David erfuhr, wie Ignacio ermordet und wie das Eigentum der Familie geraubt worden war. Er erfuhr von dem Stein und vom Vermächtnis des Alten. Der Junge merkte auf, als Yago seinen ersten Rachefeldzug beschrieb. Davids Augen glänzten, und er hing an seinen Lippen.
Yago berichtete von dem Versteck, von den Messern und von dem Dorfarchivar, der das abgelegene Haus der ehemaligen Gutsverwalterin bewohnte. Dieses Haus war zum Wohnort des Quellenhüters bestimmt worden. Yago beschrieb auch die Gruppenmitglieder, erzählte von deren Verlusten, zeigte ihre Stärken und Schwächen und wies den Jungen darauf hin, dass er zukünftig verantwortlich dafür sein würde, deren Nachkommen auf den Eid einzuschwören, die Gruppe zu einen und zu vergrößern. Vor allem aber klärte er seinen Sohn über Freunde und Feinde der Gruppe, Vertrauen und Misstrauen, Rache und Gerechtigkeit auf. Als er geendet hatte, legte er seinem Sohn den Arm um die Schulter. „Dich erwarten wichtige Aufgaben! Halte dir immer das Verbrechen an Ignacio vor Augen, und sei gerecht!“
Am folgenden Morgen betrachtete Yago seinen Sohn und spürte die Flamme, die er in ihm gezündet hatte. Die Unbekümmertheit der Jugend und ihre Sorglosigkeit waren aus Davids Antlitz gewichen. Heute sollte sein jähzorniger Sohn verstehen, dass Rache klaren Prinzipien folgen musste. Nach dem Frühstück führte er ihn vor die Herberge und erzählte ihm von einem Mann, den er schätzte, obwohl sie ständig miteinander stritten.
„Wer ist dieser Mann?“
„Er ist seltsam, aber er würde dir gefallen. Sein Gesicht spiegelt Sarkasmus, die stärkste seiner Eigenschaften. Wenn du die zusammengepressten Lippen siehst, musst du wahrscheinlich lachen. Bis er anfängt zu sprechen! Wissen, die reine Weisheit …“, hier zögerte Yago einen Moment, „… in den meisten Dingen. Er war ein hoher Beamter, bis die Medici zurückkamen. Im Jahr 1512 haben sie ihm alle Ämter genommen, meinem Freund Niccolò Machiavelli.“
„Von dem habe ich noch nie etwas gehört.“
„Er hat Bücher von großer Klugheit geschrieben. Ich durfte in seinem unveröffentlichten Buch Il Principe lesen. Ein großartiges Werk über Macht, Ethik und Moral, Werte, die auch im Mittelpunkt des Denkens und Handelns unserer Gruppe stehen.“ David sah seinen Vater fragend an.
„Heute werde ich dir Dinge berichten, die dich vielleicht entsetzen. Deshalb sollst du zunächst mithilfe von Machiavellis Ideen die Grundsätze meines Denkens und der Prinzipien unserer Gruppe verstehen.“
„Das hört sich sehr langweilig an, Vater.“
„Langweilig? Hör mir genau zu, dann wirst du verstehen.“
David schaute seinen Vater trotzig an. „Ihr habt mir gestern die Augen geöffnet. Ich weiß nun, wie Ihr denkt und was Ihr getan habt. Warum wollt Ihr das mithilfe eines Bücherschreibers belegen?“
„Du hörst mir jetzt zu!“, sagte Yago bestimmt.
Von diesem Moment an folgte David den Worten seines Vaters mit teilnahmslosem Blick.
„Machiavelli sagt, dass zum Zweck der Selbstbehauptung alle Mittel erlaubt sind. Droht einer Gruppe Gefahr, so braucht man keine moralischen Bedenken zu haben, wenn man diese Gefahr beseitigt. Man muss dann amoralisch handeln.“ Über Yagos edle Züge legte sich eine grimmige Maske. Er stand auf und ging mit ausgestreckten Armen auf David zu. „Merke dir das! Wenn jemand alles gefährdet, was dein Leben bestimmt, und damit dich selbst, dann musst du ihn ohne Rücksicht auf Moralvorstellungen richten.“
Machiavelli hatte sich mit Yago über diese Auslegung seines Werkes heftig gestritten. Schließlich formte er daraus die Grundlagen des Handelns der
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