MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)
in die digitalen Archive der lokalen Tageszeitungen. Ein Artikel des betreffenden Zeitraums weckte schließlich sein Interesse. Yasuhiro notierte sich Stichworte: Schreiner vermisst … Daan Dikksen … siebzig Jahre … Krebs diagnostiziert … Selbstmordgefahr …
Er las, dass Dikksen in der Nähe von Messines lebte und an einem der Wochenenden verschwand, als Braulios Gruppe sich in Belgien aufhielt. Das bestätigte ihn in seiner Deutung von Mummtaz’ geplappertem Wortfetzen Essin . Doch sosehr er auch suchte, in der Folgezeit gab es keine Meldungen mehr darüber. Eine unbestimmte Ahnung stieg in Yasuhiro auf, dass Braulio mit dem Verschwinden des alten Schreiners zu tun hatte.
Schließlich notierte er Namen, Zeitpunkte, Daten, Reisen und sonstige Fakten, alles, was er bisher über Braulio in Erfahrung gebracht hatte, sowie dessen Geschichten aus der Vergangenheit. Das brachte Klarheit und Struktur in Yasuhiros Gedanken. Nun wollte er den besten Anwalt der Stadt konsultieren. Dazu erhielt er von den Juristen der Kanega Bank eine Empfehlung. Dort rief Yasuhiro an.
„Kougler & Friends“, sagte die Empfangsdame.
Im Umgang mit Anwälten fehlte Yasuhiro Atakamo die Erfahrung. Also versuchte er, seine Unsicherheit mit Humor zu überspielen.
„Mein Name ist Yasuhiro Atakamo. Ich möchte gerne Friends sprechen.“
„Wie bitte?“, fragte die Frau verständnislos. „Wer sind Sie und mit wem darf ich Sie in welcher Angelegenheit verbinden?“
Yasuhiro ging darüber hinweg, dass es mit seinem Wortspiel nicht geklappt hatte, und stellte sich vor.
„Einen Moment bitte, Herr Atakamo, ich verbinde Sie mit Dr. Spiglar.“
Die Leitung knackte und Musik dudelte aus dem Hörer.
„Spiglar. Wie kann ich Ihnen helfen, Herr Atakamo?“, ertönte nach kurzer Pause die sonore Stimme des Anwalts.
„Ich brauche anwaltlichen Rat in einer Angelegenheit“, antwortete Yasuhiro. Dann erzählte er dem Anwalt von Braulio Ostrogón und von den Informationen, die er über ihn gesammelt hatte.
Daraufhin machte der Anwalt ihm einen Vorschlag.
„Können Sie übermorgen in mein Büro kommen? Dann arbeiten wir die Sache durch.“
„Gerne. Um 15:00 Uhr?“
Dr. Louis Kougler, Inhaber und Namensgeber der renommierten New Yorker Kanzlei, ließ den Hörer sinken. „Das gibt Schwierigkeiten“, fluchte er leise.
Er überwachte seine Friends , wo und wann immer es ging. Es gab in seiner Kanzlei keinen Anwalt, dessen Anrufe nicht mindestens einmal pro Tag belauscht wurden. Eine Aufgabe, die er in den allermeisten Fällen Conan Plummers übertrug, einem Detektiv, der sich für Klienten im Auftrag der Kanzlei in den Disziplinen Spürsinn, Skrupellosigkeit, Hinterhältigkeit und Verschwiegenheit vielfach ausgezeichnet hatte. Schließlich legte ein wichtiger Klient größten Wert auf Sicherheit und Diskretion. Dazu zählte unbedingte Wachsamkeit Ereignissen gegenüber, die relevant für ihn werden könnten. Seit Dr. Kougler vor Jahren ein umfangreiches Immobiliengeschäft dieses Klienten in Südamerika zu dessen höchster Zufriedenheit abgewickelt hatte, gehörte der Mann zu den umsatzstärksten Kunden seiner Kanzlei. Trotzdem blieb ihm dieser Mandant ein Rätsel. Obwohl Dr. Kougler ihn für besonders gerissen hielt, hatte er seines Erachtens einen gewaltigen wirtschaftlichen Fehler begangen. Gegen den ausdrücklichen Rat aller Fachleute des Hauses veräußerte er damals seine weltweit tätige Handelskette an Finanzinvestoren.
„Falscher Zeitpunkt, zu niedriger Erlös“, war der einhellige Kommentar aller Berater der M&A-Abteilung. Doch der Mandant
bestand auf dem ungünstigen Deal, obwohl Dr. Kougler überzeugt gewesen war, dass er mit etwas Geduld mehr als das Doppelte hätte herausschlagen können. „Der Mandant ist König“, hatte er damals zu den Friends gesagt. Schließlich war eine Verkaufssumme von fünfhundert Millionen Dollar auch eine stattliche Summe. Besonders wenn Dr. Kougler sich die zwei Prozent in Erinnerung rief, die sein Haus bei dem Deal als Beratungsprovision eingestrichen hatte.
Bei dem Gedanken daran lächelte er. Noch bevor das abgehörte Telefonat seines Kollegen mit dem Japaner beendet war, wählte er auf dem Handy schon die Nummer des undurchsichtigen Spaniers.
Houston, elf Jahre zuvor
Wenn es sich einrichten ließ, vermied Braulio Ostrogón Reisen in den Süden der Vereinigten Staaten. Die Menschen waren neugierig und aufdringlich. Außerdem verstand er die lokalen Dialekte nicht, am wenigsten in
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