MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)
Unbilden des Geschäfts eine längere Reise nach Moskau notwendig machten. Ganz in friedliche Gedanken versunken, vergaß er den Kleinen auf seinem Schoß, bis der mit einem Mal laut zu weinen anfing. Er streichelte dem Jungen beruhigend über den Kopf und küsste ihn auf die Stirn.
Fjodor Pawlowitsch Stroganow hoffte inständig, dass ihm noch genug Jahre blieben, Tatjana Fjodorowna bei der Erziehung zu unterstützen, damit Gerasim eines Tages seine Nachfolge antreten konnte. Noch wusste der kleine Lockenkopf, in dieser Hinsicht schon ganz dem jungen Fjodor Pawlowitsch ähnlich, nichts von seiner Bestimmung. Jetzt wand sich der Kleine vom Schoß seines Großvaters und watschelte auf unsicheren Füßchen zu seiner Mutter.
Tatjana Fjodorowna war gerührt, wenn sie den mächtigen Vater im liebevollen Umgang mit Gerasim beobachtete. Sie nahm ihn auf den Arm und ging zu dem Alten.
„Vater, Ihr macht mich so glücklich. Auch wenn Gerasim es selbst noch nicht sagen kann, so liebt er Euch doch.“ Sie setzte Gerasim ab und der Vater bedeutete ihr, sich zu ihm zu setzen.
„Meine Kleine“, sagte Fjodor Pawlowitsch voller Zuneigung und strich ihr über den Rücken.
„Wisst Ihr, Vater, wie lange Ihr mich nicht mehr so genannt habt?“
„Nein, mein Kind. Sag es mir.“
„Seit Mutter gestorben ist.“
Der Alte sah plötzlich traurig aus. Als seine geliebte Frau eine Woche nach Tatjana Fjodorownas zehntem Geburtstag starb, nahm sie den Teil von ihm, der Liebe für eine Frau empfinden konnte, mit ins Grab.
Er sah seine Tochter lange an. Schließlich nickte er. „Weißt du“, flüsterte er ihr leise ins Ohr, „dass ich ohne dich vor Kummer gestorben wäre?“ Seine Hand umfasste ihre Schulter.
„Aber Vater, ich war erst zehn Jahre alt. Wie kann ein Kind einem Mann wie Euch eine solche Stütze sein?“
„Du hast ihre Wärme, ihr Blut. Ich habe es dir nie gesagt, doch selbst deine Art zu sprechen gleicht ihrer. Ihr lacht über dieselben Dinge, ihr habt ähnliche Vorstellungen vom Leben. Ja, ihr seid euch so ähnlich …“ Zärtlich lächelte er seine Tochter an. „Nein, ersetzen kannst du sie nicht. Du bist mein Kind! Aber ich sehe sie in dir. Jeden Tag, wenn wir zusammen sind, Tatjana Fjodorowna, freue ich mich, dass ihre schönen Seiten in dir fortleben.“ Fjodor Pawlowitsch Stroganow konnte seine Rührung nicht länger verbergen.
Auch seine Tochter weinte und lächelte zugleich. Dabei zog sie den Vater fest an sich, damit die anwesenden Geschwister seine Tränen nicht sahen. Schon immer war sie ihm näher gewesen als die anderen.
„Ich liebe dich, mein Kind!“, sagte er, als er Gerasim vom Eingang des Brunnenhauses her brabbeln hörte.
Mit einem Ruck fuhr der Großvater hoch. Ins Brunnenhaus durfte der Kleine auf keinen Fall, das war viel zu gefährlich. Als er hinüberging, blickte er über die Gemüsebeete neben der großen Scheune auf die endlose Straße, die den Landsitz mit dem Ort und der gesamten Region verband. Weit hinten, auf der anderen Seite des Ortes, sah er, wie sich gegen den langsam eintrübenden Abendhimmel die Umrisse einer kleinen Schar Reiter abzeichnete. Mit kurzem Schwung packte er den Jungen, der schon vor einem Brunnen stand, und sagte eindringlich: „Gerasim, geh nicht in dieses Gebäude!“ Dabei zeigte er auf die Brunnen. „Hier ist es sehr gefährlich für dich.“
Gerasim schaute ihn aus großen schwarzen Augen aufmerksam an, bevor er die Ärmchen ausstreckte und mit erstaunlicher Geschwindigkeit in Richtung seiner Mutter lief. Nein, dem kleinen Lockenkopf konnte er einfach nicht lange böse sein, was er auch immer anstellen mochte.
Als er den Blick zufällig wieder zur Straße wandte, bestätigte sich seine Beobachtung. Sechs Reiter bewegten sich in schnellem Galopp auf Usolje zu und würden es bald erreichen.
Die Gesellschaft der Stroganows nahm die Reiter erst wahr, als die einen Halbkreis vor der Veranda bildeten. Ihr lautes Gelächter hatte das Hufgetrappel übertönt.
Fjodor Pawlowitsch Stroganow erhob sich und sprach zu den Fremden: „Was fällt Ihnen ein? Wer sind Sie, dass Sie sich ungebeten auf unser Land schleichen und uns erschrecken?“
Braulio Ostrogón blickte ihn finster an. „Stroganow?“, fragte er gedehnt. Sein Russisch war schlecht, dafür legte er gebieterische Strenge in die Aussprache.
Der Alte trat von der Veranda und ging zu den Reitern, um die ungebetenen Gäste zu betrachten.
Mit herrischer Geste hieß Braulio den Patriarchen
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