MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)
trugen es zu den Pferden.
Fjodor Pawlowitsch Stroganow unterdrückte die Tränen. Er nahm alle verbliebene Kraft zusammen, und mit einem Ruck befreite er sich aus dem Griff, mit dem Antonio ihn noch immer festhielt.
„Was haben wir Euch getan?“ Fjodor Pawlowitsch Stroganow schluchzte erstickt auf. „Warum tut Ihr uns solches Leid an?“
„Weil ihr Bestien seid!“
„Wir?“, keuchte Stroganow.
Braulio stieß dem Patriarchen das Messer ins Herz.
„Ultor.“
New York, vor einiger Zeit
Bestie ist eine zutreffende Beschreibung, dachte Yasuhiro Atakamo, als Braulio seine Erzählung beendet hatte. Er rang um Fassung.
Seit Braulio Ostrogón den Keller der Kanega Bank mit ihm teilte, versuchte Yasuhiro Atakamo, das Wesen des Spaniers zu ergründen. Ein schizophrener Charakter wie dieser war ihm, Yasuhiro, selbst in der schwärzesten Zeit seiner tokioter Unterwelttage nicht begegnet. Gewiss wimmelte es dort von skrupellosen Typen, denen man besser nicht über den Weg lief. Doch diesem Abschaum war eines gemeinsam: Ihre kriminelle Energie war leicht zu durchschauen. Damit konnte man zurechtkommen. Die Gründe für das widersprüchliche Verhalten des Spaniers hingegen lagen in mysteriösen Ereignissen der Vergangenheit und persönlichem Schicksal verborgen.
Auf der einen Seite gab es den Schwerkriminellen Braulio Ostrogón. Neben seinen Kontakten zur Glücksspielmafia hatte Yasuhiro beim Belauschen eines Telefonats mit Kosporska von grausigen Machenschaften, wie Entführungen und Auftragsmorden, erfahren. Außerdem schloss er aus Andeutungen Braulios, dass der Spanier noch in weitaus üblere Dinge verstrickt war.
Andererseits hatte Yasuhiro recherchiert, dass Braulio Ostrogón bis vor wenigen Jahren ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen war, der es durch den Verkauf seines Unternehmens zu einem großen Vermögen gebracht hatte; dass er die kriminellen Geschäfte dennoch weiterbetrieb, entsprach seinem bösen Wesen und stand in Zusammenhang mit dieser Erlösung, jener alles bestimmenden Maxime im Leben des Spaniers. Dennoch war dieses Verhalten für Yasuhiro unverständlich geblieben, bis Braulio vor wenigen Tagen vollkommen unerwartet seine Motive dargelegt hatte.
„Du verstehst es nicht, oder?“, hatte Braulio unvermittelt in die nächtliche Stille der Bank hinein gefragt. „Du verstehst nicht, dass wir die Schuldigen mit ihren eigenen Mitteln bekämpfen müssen, bevor die Erlösung sie endgültig vernichtet. Krieg und Erlösung
sind die zwei Seiten einer Medaille. Wir unterhöhlen ihr System durch unseren Kampf in der Unterwelt. Wir bestehlen sie, wir betrügen sie, wir quälen sie, und manchmal töten wir sie. Und so hoffen wir seit Jahrhunderten, dass sie sich ändern. Aber sie ändern sich nicht. Sie bleiben dieselben Ungeheuer, die Ignacio ins Feuer geworfen, ihm sein Eigentum, seine Würde und das Leben genommen haben. Seitdem gewinnen wir durch unseren geheimen Krieg an Macht. Heute sind wir überall, und überall verunsichern wir sie …“ Braulio schwieg einen Moment. „Wenn wir die Welt reinigen, indem wir sie von ihnen erlösen, dann werden sie erkennen und verstehen. Aber ich sage dir: Dann ist es zu spät für sie!“
Yasuhiro Atakamo erschauerte.
In jener Nacht geisterte Braulio Ostrogón wie von Sinnen durch das Büro und murmelte unablässig vor sich hin. Der Japaner war sich nicht sicher, ob Braulio in seinem tranceartigen Zustand überhaupt mitbekommen hatte, was er da von sich gegeben hatte. Nun verstand Yasuhiro Atakamo, wie dieser bösartige und schwierige Mann es schaffte, Menschen um sich zu scharen, sie zu begeistern und sie sich in bedingungslosem Gehorsam gefügig zu machen: Weil es genügend Verlierer gab, die auf einen wie ihn warteten. Auf einen, der mit flammender Rede den gemeinsamen Feind beschwören und sie mit unsichtbaren Blutsbanden auf ewig zusammenschweißen konnte. Auf einen, der sie lenkte und von dem sie sich bereitwillig führen ließen, bis zur Erfüllung des großen Versprechens, das er Erlösung nannte.
Das ist sein Geheimnis, dachte Yasuhiro. Wahnsinn, Überzeugungskraft, Brutalität, ein gemeinsames Feindbild und Demagogie. Nicht zum ersten Mal richtet ein selbst ernannter Führer mit einer solchen Mischung gewaltigen Schaden an …
Yasuhiro beschloss, nach Spuren von Braulios Aktion in Belgien zu suchen. Er gab verschiedene Suchbegriffe ins Internet ein: Doch Belgien , Sprengstoff , Weltkrieg oder Ähnliches führten ins Leere. Dann hackte er sich
Weitere Kostenlose Bücher