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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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Tür.
    Zimmer 113.
    So viel Leben, so viel Glück. Mein Herz pochte, es hämmerte, als wollte es selber an die verdammte Tür klopfen. Da ging sie aber auch schon auf, und eine Putzfrau stand vor mir. Ich sah über ihre Schultern, sah, dass das Zimmer leer war. Da waren nur noch die beiden Betten, die beiden Schreibtische und zwei Stühle.
    Wo waren all ihre Sachen? Ihre Kleider, ihr Föhn, ihre Zahnbürste, ihre Kosmetika, ihre Bücher, ihre Schuhe, ihr Laptop … warum war der Raum leer?
    „Marion …?“
    Ich drängte mich an der kleinen, dicken Putzfrau vorbei in das Zimmer. Da war nichts mehr, das an Marion erinnert hätte. Nicht einmal ein Reißnagel mit dem Fetzen eines Posters an der Wand oder ein zurückgelassenes Magazin. Kein vergessener Schlüsselanhänger auf dem Fensterbrett.
    Die Putzfrau schnaufte missmutig und klimperte mit dem Schlüssel, den sie schließlich in das Türschloss steckte. Sie wartete kurz, dann sagte sie: „Zusperren jetzt!“, aber ich schüttelte den Kopf. Als sie merkte, dass sie mich nicht aus dem Zimmer bekommen würde, zog sie den Schlüssel ab und verschwand.
    Ich klappte das Bett hoch, aber auch der hölzerne Hohlraum darunter war leer. Ich öffnete die Schublade ihres Schreibtisches und hoffte, irgendwas von ihr zu finden. Ich war so verrückt zu denken, sie hätte eine Botschaft für mich zurückgelassen. Irgendein Zeichen.
    „Wen suchst du?“
    „Wo ist Marion?“
    Nelly lehnte an der Wand im Gang in kurzen Hosen und einem knappen Oberteil, eine Dose Red Bull in der Hand, eine Zigarette in der anderen.
    „Nelly, wo ist sie?“
    „Ausgezogen.“
    „Ausgezogen?“
    „Ich wohn jetzt auf 101. Ist weiter weg vom Lärm in der Küche.“
    Ich setzte mich auf Marions Bett – oder das, was ihr Bett gewesen war.
    „Und Marion? Wo wohnt Marion jetzt?“
    „Das werde ich dir nicht verraten.“
    „Nelly, bitte!“
    „Niemals.“
    „Gib mir ihre Telefonnummer.“
    „Auf keinen Fall.“
    „Verdammt, Nelly!“
    „Da musst du mir schon eine Pistole an den Kopf setzen.“
    „Okay …“
    „ …“
    „ …“
    „EY?!“
    „ …“
    „Steck das Ding weg! Oh Mann! Du bist krank! Du bist sowas von krank.“
    Ich steckte das Eisen wieder weg. Nelly starrte mich mit großen Augen an. „Was hast du mit ihr gemacht? Was hast du mit Marion gemacht?“
    „Was hat sie mit mir gemacht?“
    „Sie ist ein Wrack. Sie hat sich in den Schlaf geweint, ihre Augen waren so geschwollen, dass sie nur mehr mit Sonnenbrille an der Uni rumlaufen konnte. Was hast du mit ihr gemacht, du Scheißkerl?!“
    Ich stand auf und ging zum Fenster, als würde ich sie da draußen irgendwo noch sehen können, wie sie ihr Zeug in ein Auto lädt. Der Föhn wirbelte den Staub auf. Im zweiten Stock ging eine Scheibe zu Bruch. Zwei Verkehrsschilder vor der Baustelle krachten um. Vom Dach der Tennishalle gegenüber wehte es eine Plane herunter.
    „Geh!“, sagte sie, und sie sagte es ernst und bestimmt. „Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber ich weiß, dass ihr keine Zukunft habt.“
    Ich öffnete das linke Fenster. Der Wind schlug die Zimmertür zu und ich war alleine. Der Wind heulte auf wie ein Tier im Todeskampf. Die Pappeln auf der anderen Straßenseite bogen die Spitzen, verneigten sich vor mir.
    Ich dachte, dass Gott nur ein Wort sprechen müsste, und die ganze Welt ginge unter. Himmel und Hölle – nur ein Wort. Nur ein Wort, und ich war raus aus der Scheiße und glücklich mit Marion.
    Nur ein Wort.
    Ein verfluchtes Wort.
    Und alles war vorbei oder alles war gut.
    Ich stützte mich an dem Zwischenbalken des Fensters ab. Meine Augen brannten von dem Staub und der Trockenheit.
    Ich spuckte hinaus. Die Spucke landete in meiner Fresse. Ich wischte sie mir nicht ab.
    Nur ein Wort.
    Ein einziges
    verfluchtes
    Wort.
    Das Paradies ist immer nur ein Wort entfernt.
    Und schließlich fand ich doch noch etwas. Ein Zettel steckte zusammengeknüllt zwischen Heizung und Wand. Ich nahm ihn, verließ das Heim und setzte mich an die Bushaltestelle, aber ich stieg nicht in den Bus, der kam, auch nicht in den nächsten und auch nicht in einen von denen, die dem nächsten folgten.
    Ich saß stundenlang da und wartete und wurde langsam wieder nüchtern.
    Ich las, was auf dem Zettel stand.
    Nur zwei Zeilen eines Gedichtes von Marion. Der Rest der Tinte war zerronnen. Der Rest war nicht mehr zu entziffern.
    Verloren hab ich
    all mein Sehnen
    Der letzte Linienbus kam kurz vor 23 Uhr. Die Türen gingen auf, ein

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