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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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lügen, er sollte es wenigstens versuchen, das konnten sie erwarten, alles andere war unzumutbar.
    Sag es uns.
    Stattdessen kam die Oma und übernahm das Haus, weil Not am Mann war, und da musste die Familie zusammenhalten, und der Vater musste ja auch wieder arbeiten, und sie waren immer noch kein einziges Mal in der Klinik gewesen.
    Die Oma wollte, dass sie sich nach dem Essen bei ihr für das Kochen bedankten, indem sie sie küssten und sagten, wie gut es geschmeckt hatte.
    Die Schwester versuchte, in der Schule zu essen. Aber weil sie niemanden kannte, denn all ihre Freundinnen, bei denen nicht Not am Mann war, aßen zu Hause, saß sie allein neben einer Gruppe älterer Jungen, die sie mit Pommes bewarfen und ihr, als sie kurz aufstand, um sich eine Serviette zu holen, Ketchup in den Schokoladenpudding rührten und ihr hinterherjohlten, als sie aufgab und ihr Tablett wegbrachte. Seitdem aß sie mit der Oma und dem Bruder, aber sie hatte keinen Hunger.
    Nach dem Essen baute die Oma das Bügelbrett auf und schimpfte leise über die Mutter, weil sie nie bügelte und sich alles angestaut hatte. Die Kinder duckten sich und gingen in ihre Zimmer. Dann durfte die Oma mit dem Vater in die Klinik, weil sie die Mutter der Mutter war.
    Ja und wir.
    Wir sind doch die Kinder.
    Sie kam zurück und weinte ausgiebig.
    Das kann eine Mutter nicht ertragen, die eigene Tochter so zu sehen.
    Wie zu sehen?
    Ich erspare euch das, weinte die Oma, ihr könnt das nicht verstehen, aber der Vater kann froh sein, dass wir in der Familie so zusammenhalten.
    Die Kinder sahen sich an, und dann schrieben sie eine Petition an den Vater.
    Wir wollen morgen in die Klinik. Sonst fahren wir eben alleine hin.
    Die Oma wischte sich nach dem Scheißen nicht richtig ab, man sah Spuren auf der Klobrille.
    Als sie neben dem Bett der Mutter standen, bereuten sie es. Das Gesicht der Mutter war bewegungslos, weil es von innen zugestopft war, erklärte der Vater später, eine Maske mit dicker Stirn und aufgerissenen Augen.
    Der Bruder fing an zu weinen.
    Die Schwester stellte sich dicht neben die zugestopfte Mutter und sagte, in der Schule haben wir mit Afrika angefangen, wir müssen alle Länder auswendig lernen, und was glaubst du, wie viele Länder Afrika hat? Und morgen schreiben wir eine Lateinarbeit, ich muss nachher noch Vokabeln lernen, weißt du, und gestritten habe ich mich auch mit Birgit, die ist ein Arschloch.
    Der Bruder stieß sie an, aber sie hörte nicht auf, einer musste ja etwas tun, und sie tat, was sie konnte, bis ihr nichts mehr einfiel und die Mutter sie mit aufgerissenen Augen anstarrte und der Vater die Kinder hinausschob.
    Sie schliefen jetzt immer im Keller, die Oma schlief im Bett des Bruders, der Vater im Bett der Mutter. Das hatten sie gemerkt, als der Bruder nachts weinend aufwachte und hochlief zum Vater, aber das Bett war leer, und er fing gleich gellend an zu schreien, bis der Vater verschlafen aus dem Zimmer der Mutter kam.
    Warum schlaft ihr denn nicht in einem großen Bett?
    Weil wir schnarchen.
    Es stimmte, der Vater schnarchte, die Schwester hörte es manchmal, wenn sie nachts aufwachte und sich ins Treppenhaus setzte, weil es im Keller zu dunkel war. Sie saß auf der Treppe, die einen Teppichbelag hatte, und hörte, wie der Vater nach Luft schnappte, und die Straßenlaterne vor dem Haus stand in einem Kreis aus weißem Licht, und manchmal, weil ihr kalt war und niemand sie sehen konnte, umfasste sie ihre Schultern und rieb sich die Arme.
    Dann wurde es sehr heiß, die Oma wollte mit ihnen ins Schwimmbad gehen, aber sie weigerten sich.
    Wir haben keine Badehosen mehr, die alten passen nicht. Wir wissen auch nicht, wo die Handtücher sind.
    Das wusste die Oma, sie hatte längst alle Handtücher gewaschen, gebügelt und neu gestapelt, und sie könnte auch neue Badesachen kaufen, aber die Kinder hatten jeden Nachmittag etwas vor, lange heiße Tage, bis sie wieder mit in die Klinik durften, kurz vor den Sommerferien.
    Aber wir wollten doch nach Schweden.
    Aber das war doch schon alles geplant.
    Es geht eben nicht.
    Aber alle fahren in Urlaub.
    Der Vater musterte sie enttäuscht, wie sie an Urlaub denken konnten in der schweren Zeit, aber die schwere Zeit dauerte schon lange und war zu heiß, und in Schweden könnte man in kalten Seen baden, so wie geplant, was sollten sie sonst in den Ferien tun. Im Freibad waren schon die Wiesen verbrannt.
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