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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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sagt sie, und gibt mir ihre Karte, die ich einstecke. Gleich werde ich hinausgehen, hinein in die Paradise Shopping Mall, einen italienischen Kaffee trinken, um das Brennen des Ingwertees und die merkwürdige Schläfrigkeit, die hinter meinem neuen Gesicht wirbelt, zu vertreiben, und mir ein Kostüm kaufen. Die Tasche mit den Mitbringseln lasse ich in der Garderobe stehen.

Wie in Schweden
I

    Kurz bevor sie nach Schweden wollten, platzte der Mutter das Gesicht.
    Etwas ganz innen zerbarst, ein Blutgefäß, eine Ader, und das Blut platzte ihr aus der Nase, so erzählte es der Vater später, und stürzte überall hin. Jedenfalls fanden die Kinder überall Blut, auch in der Küche, im Flur. Dann musste sie im Badezimmer am Waschbecken gewesen sein, ein Taschentuch vor das Gesicht gepresst, es lag noch da, schwer von Blut.
    Sie wachten auf, viel später als sonst, der Morgen war schon warm und hell, und lagen eine Weile versonnen im Bett, die Geräusche anders als sonst beim Aufstehen, und dann schauten sie auf die Uhr und sprangen hoch. Niemand war da, kein Frühstück in der Küche, kein Zettel, sie standen im Flur herum und redeten leise, dann wischten sie mit Klopapier an den Flecken herum, aber es waren zu viele.
    Wir müssen in die Schule.
    Wir gehen heute nicht.
    Meinst du – was meinst du, was los war.
    Komm, wir gehen in die Schule.
    Sie nahmen ihre Ranzen, die Schwester schmierte dem Bruder noch eine Stulle, bevor sie zögernd die Haustür zuzogen.
    Hast du einen Schlüssel.
    Vergessen.
    Jetzt gehen wir erst mal in die Schule.
    Es gab keinen Ärger. Die Lehrer fragten nach. Die Kinder schauten die Lehrer hilflos an und zuckten mit den Schultern.
    Es war ja keiner da.
    Einer nahm sie mit und telefonierte. Sie standen im verglasten Schulbüro und duckten sich, hier war man nur, wenn Not am Mann war, und es konnte ja nicht sein, dass plötzlich Not am Mann war bei ihnen, das hätte ihnen doch der Vater gesagt oder die Mutter.
    Da wussten sie nicht, dass die Mutter drei Wochen nicht sprechen konnte, weil man ihr Gesicht zustopfen musste, damit das Bluten aufhörte.
    Der Vater kam aus der Klinik gleich in die Schule und holte sie ab. Sie wollten aber nicht.
    Wir haben doch Schule. Noch zwei Stunden. Wir kommen gleich.
    Aber der Vater wollte sie nicht allein lassen und sich nicht allein lassen, ihr müsst euch nicht beunruhigen, jetzt kommt halt mit, aber sie hätten sich viel weniger beunruhigt, wenn sie in der Klasse hätten sitzen können wie immer, und der besorgte Blick der Lehrer störte schon nicht mehr, war schon fast schön, die Lehrer und auch die anderen Kindern schauten ab und zu unauffällig zu ihnen hin, fürsorglich, und sie machten geheimnisvolle Gesichter.
    Du musst doch zur Arbeit.
    Heute nicht.
    Machen wir dann was Schönes?
    Heute nicht.
    Als sie nach Hause kamen, wischte er das Bad, aber er hatte nicht viel Übung, er übersah immer etwas.
    Sie gingen auf Spurensuche, es war ein Spiel. Bis sie sahen, dass der Vater unbeweglich in der Küche stand und auf den Herd starrte.
    Willst du kochen? Wir helfen dir. Wir können schon Spaghetti.
    Aber er hörte nichts, er drehte den Kopf nicht zu ihnen. Sie bewegten sich leise um ihn herum wie Spione, dann zupften sie an ihm. Aber er sagte nichts, er ging schweigend ins Wohnzimmer und saß im Sessel, länger, als man glauben konnte.
    Sie warfen sich Blicke zu, sie machten Hausaufgaben, sorgfältiger als sonst, weil niemand denken sollte, sie nutzten die Lage aus. Der Tag begann anderen zu ähneln, der Vater sprach wieder, er erzählte von dem geplatzten Gesicht und von der Klinik und dass sie morgen alle zu Besuch hin könnten und dass man froh sein konnte, dass sie so nahe an der Klinik wohnten, und dass das Essen ein Problem sei, er könnte ja keine Dose aufmachen, ob sie nicht in der Schule essen könnten, und ob sie Kuchen vom Bäcker holen könnten, und weil er ihnen einen großen Geldschein gab, kauften sie für das ganze Geld Kuchen, den sie dann auf dem Küchentisch auftürmten, und da musste der Vater lachen.
    Abends sangen die Amseln mit einer Schärfe, die ihnen wehtat, und sie zerrten die Matratzen in den Keller, wo es kühl war und man die Amseln nicht hörte und wo der Staubsauger stand und die Waschmaschine, und da schliefen sie.
    Ob es wieder gut wird?
    Der Vater antwortete nicht, er wollte nicht lügen, aber er sollte

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