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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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die Pullover zu Kopfkissen gerollt, so nah aneinander lagen, wie es die Hitze erlaubte, nicht nur die Arme, Beine und Bäuche berührten sich, sondern auch die Füße, die wir an den Zehen miteinander verknoteten, so dass keiner abrücken konnte, wir blieben einfach die ganze Nacht über so liegen, und wenn der eine sich im Schlaf wegrollte, schob sich die andere wieder an ihn heran und verhakte die Zehen, weil eine Trennung unerträglich war, und wenn es draußen knackte, dachten wir an Feuer und Waldbrand und dass die Zeit nicht reichen würde, um zu fliehen, denn ein Waldbrand verbreitet sich in Sekundenschnelle und unkontrolliert, also konnten wir gleich liegen bleiben, und wenn die eine Durst hatte, trank der andere einen großen Schluck und ließ ihn in meinen Mund rinnen, und die Mücken stachen uns überall, bis die einzelnen Stiche zu einer wunden Fläche anschwollen, wir sahen aus wie Verwundete. Wir durften uns nicht blutig kratzen, wir legten uns die Hände auf die heißen Flächen und drückten, bis wir das Kratzen vergaßen und auch den Waldbrand und die viel zu trockenen Pinien, deren Wurzeln dennoch so tief in die Erde reichten, dass sie immer genug Wasser fanden.
    Ich wohne sehr angenehm, murmele ich, im Royal Mandarin, sehr komfortabel, und als ich dies sage, vergesse ich mein Reihenhaus, ich vergesse unser kleines heißes Schlafzimmer, dessen Parkettboden wir selbst verlegt haben, und das große Kinderzimmer mit dem Etagenbett, oben Natascha, unten Uli, ich stoße mir den Kopf, wenn ich zu Natascha hochklettere, um mich abends an sie zu schmiegen, denn nicht sie braucht meine Umarmung, sondern ich ihre, und ich liege bei ihr, bis sie schwer wird und einschläft. Ich schlafe nicht, ich schaue auf das milchig glimmende Nachtlicht und nehme ihren heißen Fuß zwischen meine verhornten Zehen, die Frau Meng Woh gleich seidenweich raspeln wird, und danach werde ich ins Royal Mandarin fahren, in meine Suite, in der ich hin und her gehe, die Agenda für das meeting am nächsten Morgen im Kopf und die Lichter von Singapur unter mir, denn die Suite liegt im höchsten Stock, davon muss ich ausgehen.
    Ganz oben, murmele ich, den Kopf in den Wolken.
    Frau Meng Woh hat den Dampf abgeschaltet und die Pinzette beiseite gelegt. Sie streicht in regelmäßigen Bewegungen über mein Gesicht, fährt mir über die Nase, kreist über die Stirn und zupft am Kinn, mit einer Liebkosung nicht zu verwechseln, es fühlt sich an, als würde ich zum Bügeln ausgelegt, eine zielstrebige Geschäftigkeit, so wie Frau Holle die Kissen aufschüttelt, sonst tut sich nichts, kräftig geschüttelt, ein Schlag in die Mitte, fertig ist die Laube.
    Frau Meng Woh hört aber nicht mehr auf. Sie massiert Öl in jede Pore, zwischendurch die Füße, Schorf und Hornhaut rieseln auf die Unterlage, sie klopft auf meine Lippen, bis sie glühen, dann greift sie in die Haut vor meinen Ohren, als wollte sie mir das Gesicht abziehen, und ich gebe ein leises Stöhnen oder Murren von mir, es tut weh. Da lässt sie los, hebt mein Kinn und zwingt mich, sie anzuschauen.
    Wie alt bin ich, fragt sie.
    Mir wird heiß. Ich kenne die Sitten hier nicht, jede Antwort könnte die falsche sein. Ich weiß nicht, ob sie alt oder jung sein möchte. Ich will das Richtige sagen, also am besten gar nichts, ja, sage ich, schwer zu sagen, ich finde, Sie sehen – Sie sehen zeitlos aus.
    Die Antwort war gut gewählt. Sie lächelt.
    Und Sie, sagt sie, könnten aussehen wie dreißig. Sie haben keine Kinder, Sie verdienen gut, Sie sind angesehen in der Geschäftswelt. Es liegt nur an Ihnen. Und sie gibt mir die Hand und hält mir gleichzeitig mit der anderen einen runden Spiegel vor. Ich schaue mich an, mein glattes, leicht öliges, leeres Gesicht, und begrüße mich.
    Ich fahre mit einem Finger über die Wangen. Es gibt keine lockere Haut mehr, das Gesicht passt jetzt einfach besser. Das sage ich auch zu Frau Meng Woh, die gerade die Tür des Behandlungszimmers öffnet. Direkt davor steht die andere Dame, den Kopf etwas geneigt, als hätte sie die ganze Zeit gelauscht. Sie reicht uns lächelnd einen Teller mit Mangoschnitzen. Damit das Schlechte draußen bleibt, erklärt Frau Meng Woh und hilft mir aus dem Kittel, ohne mir noch einmal ins Gesicht zu schauen, als ob ihre Arbeit keine weitere Begutachtung erfordere.
    Bezahlt haben Sie ja,

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