Man lebt nur ewig
wenn du deine Oma missachtest.« Makaberer Spott, aber in Ge- danken war ich noch bei der Leiche in dem Aussichtspa- villon. Nicht einfach tot. Der Seele beraubt. Das ist für dich, Opferlady. Und wenn ich diesen Bastard Yale zu fassen kriege …
Pengfei umklammerte mit beiden Händen den Bolzen und versuchte ihn herauszuziehen, doch Bergman hatte mit dieser Möglichkeit gerechnet. Sobald er in ihren Kör- per eingedrungen war, hatten sich zwei lange Stacheln aus der Spitze geschoben und hielten den Bolzen so lange si- cher in ihrem Bauch, bis das Wachs, welches die Pille be- deckte, schmolz. Zumindest theoretisch. Pengfei schrie, als sie zog und in ihrem Körper einiges nachgab.
»Komm schon«, murmelte ich. »Komm schon, komm schon.« Es war, als stünde man in einer Höhle und wartete darauf, dass der Reiseleiter seine Taschenlampe anmachte. Doch anstatt die Nacht mit einem inneren Sonnenstrahl zu erhellen, riss Pengfei den Bolzen raus. » Scheiße! «
Ich hätte es wissen müssen. Verdammt, hast du aus der Sache mit der Türmatte denn gar nichts gelernt, Jaz? Bergmans Prototypen funktionieren nur in der Hälfte aller Fälle, und auch dann nicht immer so, wie sie es sollten. Dämlich! Du darfst nie so verzweifelt darauf hoffen, dass etwas funktioniert, dass du die Realität verdrängst, wäh- rend du darauf wartest, dass es klappt.
Es juckte mich in den Fingern, Kummer zu ziehen, doch ich war nicht ganz ehrlich zu Bergman gewesen, als ich behauptet hatte, die Waffe sei unser Notfallplan. Das war sie nicht. Denn Pengfei war Vayls Opfer. Und ich hatte schon zu einem frühen Zeitpunkt in unserer Part- nerschaft gelernt, dass man besser nicht zwischen ihm und seiner Zielperson stand.
»Hey, was ist das denn, da drüben?«
»Keine Ahnung, lass uns nachschauen!« Junge, piepsige Stimmen, und sie bewegten sich in unsere Richtung.
Ich blickte über die Schulter. Vayl hatte zwei verirrte Jugendliche aufgehalten, und ich sah, dass hinter ihnen noch einige mehr rumlungerten. Verdammt, jetzt ist er
abgelenkt, weil er die Menge unter Kontrolle halten muss. Was soll ich tun? Was soll ich tun?
Als Pengfei die Überreste des Bolzens fallen ließ, er- kannte ich, dass das wichtige Ende noch in ihrem Körper steckte. Doch die Reaktion ließ wesentlich länger auf sich warten, als wir berechnet hatten. Ursprünglich hatte die Reaktionszeit zwei Stunden betragen. Ich hatte um sofor- tige Wirkung gebeten.
»Bergman!«, zischte ich und bedeckte meinen Mund, in der Hoffnung, dass der Übersetzungsdraht das Geräusch so nicht aufnahm. »Wo bleibt das sirr, watsch , das du mir versprochen hast?«
»Wie lange ist die Pille schon aktiv?«
»Keine Ahnung, ein paar Sekunden.«
»Gib ihr Zeit«, flehte er. »Ich weiß, dass es funktionie- ren wird.«
»Ist dir eigentlich klar, was du da von mir verlangst?«
»Ich weiß, dass es gefährlich ist, aber das könnte eine Revolution im Kampf gegen Vampire sein. Bitte Jaz. Ich habe mein Herzblut da reingesteckt.«
Oh, wo wir gerade beim Thema sind.
Pengfei begann zurückzuweichen.
»Wo willst du denn hin?«, rief ich.
»Jacht«, murmelte sie. »Sicherheit. Besser heilen.« Als sie sprach, quoll Blut aus ihrem Mundwinkel.
Ich schlenderte zu ihr rüber. »Ich denke nicht«, sagte ich und vollführte ein klassisches Manöver - Fuß hinter die Wade und dann drücken, bis sie umfiel. Allerdings ließ ich meinen Arm ein wenig zu lang ausgestreckt. So hatte sie genug Zeit, sich Halt zu suchen, mich aus dem Gleich- gewicht zu bringen und auf den Rücken zu werfen. Da ich mich daran erinnerte, wie tödlich ihre Nahkampffähig- keiten bei dem Massaker auf der Jacht gewesen waren,
rollte ich mich schnell ab und sprang auf. Die Wunde hatte sie ein wenig langsamer gemacht. Sie war selbst ge- rade erst wieder auf die Füße gekommen.
Mein Angriff kam schnell, mehrere Tritte gegen ihre blutende Körpermitte, in der Hoffnung, dass ich sie so weiter schwächen könnte. Sie wehrte sie alle ab.
Da ich ihren Stil kannte, erwartete ich einen Gegenan- griff von solchem Tempo, dass jeder Gedanke im reinen Überlebenskampf ausgeschaltet würde. Doch die Wunde hatte auch in Sachen Aggressivität ihre Spuren hinterlas- sen. Als sie mich angriff, schützte sie mit einem Arm ihren Bauch. Der andere stieß wie eine Schlange nach meiner Kehle.
Ich wich ihrem Schlag aus und platzierte dafür einen an ihrer, der sie taumeln ließ. Ich ging näher ran und ver- suchte sie noch einmal umzureißen, doch sie trieb
Weitere Kostenlose Bücher