Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Man lebt nur ewig

Titel: Man lebt nur ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rardin Charlotte Lungstrass
Vom Netzwerk:
Leute an allen Seiten an uns vorbeidrängten, doch es gelang mir.
    »Hast du den Verstand verloren?«, kreischte ich und erinnerte mich im letzten Moment daran, mir mit der frei- en Hand den Fächer vor den Mund zu halten.
    Lung holte sich den Kinderwagen zurück. »Samos hat uns verraten, genau wie ich es dir gesagt habe! Du hättest unseren großen Plan nie jemandem anvertrauen dürfen, der China nicht an die erste Stelle setzt! Nun werden wir das so machen, wie ich es wollte! Dieses Kind wird der Beginn einer Armee sein, die von klein auf zu unserer Denkweise erzogen wird. Da in China fünf Jungen auf ein Mädchen kommen, wird unser Vorrat grenzenlos sein. Und jetzt, wo wir die Rüstung haben, können wir sicher- stellen, dass wir auf jedem Schlachtfeld dieser Erde unbe- siegbar sind!«
    Selbst in diesem schrecklichen Moment, als ich realisier- te, dass dieser Irre Baby Lai töten würde, wenn ich nur einmal den Kopf falsch neigte, konnte ich nicht verstehen, wie Lung dieses Ausmaß an Wahnsinn in seinem schma- len Körper unterbringen konnte. Für mich hätte etwas Monströses aus seinem Kopf hervorbrechen müssen, viel- leicht eine gigantische schleimbedeckte Hand, die eine Leuchttafel mit einer Warnung hielt: Achtung, lassen Sie sich nicht täuschen, dieser Kerl gaukelt Ihnen Normali- tät vor.
    Die Worte brachen so schnell aus mir hervor, dass mir der Verdacht kam, ich könnte von Pengfeis Geist besessen sein. Ein angenehmer Gedanke, solange ihr jede Sekunde davon zuwider war. »Mit diesem Baby kommen wir nie- mals aus Texas raus, Chien-Lung. Seine Eltern haben be- reits die Polizei benachrichtigt. Bald wird sich das FBI an der Suche beteiligen. Bevor wir die amerikanischen Ge-
wässer verlassen haben, wird sein Gesicht über Millionen von Bildschirmen flimmern. Außerdem haben wir, wenn du das bitte bedenken würdest, nicht die Mittel, um ein Baby zu versorgen, und erst recht nicht Tausende, die wir für eine Armee bräuchten.« Ich packte den Kinderwagen. Lung zerrte ihn nach rechts, aus meiner Reichweite.
    »Fass ihn nicht an!«, fauchte er.
    Ich redete immer weiter, was dämlich war, ich weiß. Wahnsinnige folgen keiner Logik. Aber wir waren immer noch von Menschen umgeben. Vayl war noch nicht da. Und ich musste an Lai denken. Also … »Bitte glaube mir, Lung, diese Idee ist ein strategisches Desaster. Das musst du verstehen, die Amerikaner vergöttern Kinder. Sie wer- den nicht gewillt sein, gegen China Krieg zu führen, wenn sie mit chinesischen Eltern leiden, die ihr Baby verloren haben. Lass wenigstens dieses hier frei. Warte, bis wir wieder zu Hause sind. Dann kannst du dir so viele Babys holen, wie du willst.«
    Der Kinderwagen bewegte sich ein Stückchen in meine Richtung. Es juckte mir in den Fingern, ihn mir zu schnappen. Doch stattdessen lächelte ich. »Ich habe dafür gesorgt, dass unser Schnellboot uns an einer ruhigen Stel- le abholt, weit weg von den Massen. Wenn uns ein Repor- ter erkennt, schaffen wir es vielleicht nicht bis zur Jacht.«
    Was war das für ein Ausdruck in seinen Augen? Ein Mo- ment der widerwilligen geistigen Klarheit? »Also gut.« Der Kinderwagen wanderte in meine Hände. Als ich ihn zur Seite schob, spürte ich mehr, als dass ich sah, wie Cole ihn übernahm.
    »Komm.« Ich führte Lung am Hafen vorbei, über den vollen Parkplatz zum Sanford Park. Warum war es plötz- lich so dunkel? Ach ja, das Amulett unterdrückte wie- der meine verstärkte Sehkraft. Zum Glück trug ich noch
meine Nachtsichtlinsen, also schloss ich fest die Augen. Als ich sie wieder öffnete, erschien alles klarer, auch wenn das gesamte Gebiet aussah, als hätte überall ein betrunke- ner Kobold hingepinkelt.
    Ich brachte Lung zu dem Aussichtspavillon. Die Leiche lag noch an der Stelle, wo ich sie gefunden hatte. Lung hockte sich neben sie und rümpfte die Nase über den Ge- ruch. »Wie ich sehe, hast du Yale seinen Anteil über- lassen.« Er stand wieder auf. »Tja, nun, wo Samos nicht länger unser Verbündeter ist, sind wir wenigstens die Schröpfer los.«
    »Ja, da wäre allerdings noch eine Sache.« Ich legte den Fächer auf das Geländer. Hier war es bestimmt so dunkel, dass er nicht bemerken würde, dass meine Lippen sich nicht synchron bewegten. Außerdem musste ich jetzt bei- de Hände frei haben.
    Eines war cool an dem Kleid, das ich trug - die Ärmel verbargen wunderbar die Lederscheiden an meinen Handgelenken. In die rechte Scheide hatte ich die Spritze mit dem Weihwasser gesteckt. In der

Weitere Kostenlose Bücher