Man lebt nur zweimal
vorschreiben, wie viel ich zu verdienen hatte und zum anderen, dass ich das ganze Geld an eine vorbestimmte Stelle abzutreten hatte.
»Hat Ihnen überhaupt schon jemand zugesagt?«, fragte ich neugierig.
»Alle, die wir angefragt haben, sagen, dass sie mitmachen«, behauptete er.
»Und wer hat sich dieses raffinierte Konzept ausgedacht?«, fragte ich.
»Das war ich selbst!«, sagte der Typ. Stolz schwang mit in seiner Stimme.
»Klasse«, sagte ich. »Sie sind bestimmt so ein …« Mir fiel das Wort nicht ein.
»Ein was?«
»Ein Kreativer!«
»Nein«, lachte er und verbesserte mich. Er nannte irgendeinen englischen Begriff, den ich noch nie gehört hatte.
»Ich habe eine bessere Idee«, schlug ich vor, während ich Schumacher beneidete, der es schaffte, in unter 7 Sekunden vier Reifen zu wechseln.
»Wir spenden Ihr Honorar und ich behalte meines.«
Dem eloquenten Agenturtypen fiel nicht sofort eine Antwort ein. Ich nutzte die Gelegenheit und fügte hinzu: »Ich habe jetzt leider keine Zeit mehr. Ich muss mich dringend um mein Kind kümmern.«
Ich wünschte ihm freundlich ein schönes Wochenende. Dann bespaßte ich Vito geschlagene sieben Minuten lang. Er war so dankbar, dass er mir gleich etwas schenken wollte. Jetzt, auf der Stelle:
»Was wünschst du dir, Papa? Soll ich dir ein Bild malen?« Ich kannte Vitos Bilder, für die er gewöhnlich weniger Zeit brauchte, als Schumacher für den Reifenwechsel. Deshalb übte ich mich in Bescheidenheit:
»Ich wünsche mir eigentlich nur einen braven Jungen.« Sein lieber Charakter rührte mich.
»Ich dachte, Mami und du wollt keine Kinder mehr?« Plötzlich hatte ich das Gefühl, für diesen Tag genug Gutes getan zu haben. Eigentlich war ich ja selbst so was wie die Mensch gewordene Charity-Veranstaltung. Ich schob mein Kind aus dem Zimmer, schloss die Tür hinter ihm, bedauerte eine Sekunde lang, dass Kinder über kurz oder lang in das Alter kamen, in dem sie selbständig an die Türklinke heranlangten, und konnte mich dann endlich wieder den besorgniserregenden Ereignissen auf dem Hockenheimring widmen. Timo Glock war wegen Getriebeschadens ausgefallen und stampfte wütend ins Fahrerlager. Ich konnte ihn gut verstehen. Obwohl die eigentliche Kunst des Lebens ja darin besteht, sich langsam aufzuregen.
Nachdem ich zu Viktoria gesagt habe: »Charity – machen wir nicht mehr!«, haben wir angefangen, die Aktion Mahlzeit zu unterstützen. Da sind wir jetzt die Schirmherren. Das ist ein Projekt von Anat, einem Verein, der sich um Menschen mit Essstörungen kümmert. In der Regel sind das junge Frauen. Wir gehen auch mal mit in die Schulen und kochen mit den Mädchen. Wir machen das, weil wir uns natürlich trotzdem weiter einbringen wollen in die Gesellschaft. Nur eben nicht mehr Schnittchen essend, sondern mit konkreten Projekten. Und gerade als wir beschlossen hatten, unsere Charity-Strategie zu ändern, haben die sich bei uns gemeldet. Es war letztlich also auch ein bisschen Glück und Zufall im Spiel. Aber mir hat der Gedanke gut gefallen: Um die, die nichts zu essen haben, kümmern sich sowieso die meisten. Wir kümmern uns deswegen um die, die zwar genug zu essen hätten, aber trotzdem nie richtig satt werden.
Um alle Beteiligten zusammenzubringen, macht auch Aktion Mahlzeit hin und wieder eine Veranstaltung. Aber die sehen dann etwas anders aus. Das letzte Mal waren wir zum Beispiel im Winter auf der Praterinsel. Es war ein zugiges Zelt aufgestellt, in das es von unten ständig reinwehte, und da trafen sich dann alle vom Verein und wir und die Mädchen, die normalerweise in den Betreuungseinrichtungen wohnen. Alle waren dick verpackt in warmen Parkas. Es waren ein paar Köche eingeladen und wir brutzelten gemeinsam etwas, wir quatschten und froren zusammen – das ist für mich dann eine Charity-Veranstaltung, bei der man auch irgendwie spürt, dass sich die Leute Mühe geben. Bei der ich das Gefühl habe, dass man es vorrangig macht, um Menschen zu helfen, denen es nicht so gut geht.
ROTER TEPPICH
Um die Geschichte des roten Teppichs in einem Satz zusammenzufassen: Der rote Teppich war in der Antike für die Götter vorgesehen, heute ist er Schlachtfeld der Eitelkeiten.
Eine sehr frühe Erwähnung findet der Rote Teppich den kulturgeschichtlichen Abhandlungen zufolge in dem Drama Agamemnon von Aischylos . Demnach lässt Agamemnons Frau Klytaimnestra ihrem Mann nach der Rückkehr aus Troja einen roten Teppich ausbreiten. Zunächst will Agamemnon ihn
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