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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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allerdings nicht betreten, ist er doch eigentlich den Göttern vorbehalten. Um sie nicht zu erzürnen, zieht er seine Schuhe aus.
    Im Mittelalter stand das Auslegen eines Teppichs für Gastfreundschaft. Die rote Farbe signalisierte, dass der Gastgeber über einen gewissen Wohlstand verfügte, denn roter Farbstoff war sehr teuer. Man gewann ihn aus den Drüsen der Purpurschnecke. Für ein einziges Gramm Purpur mussten über 10000 Schnecken ihr Leben lassen.
    Im alten Rom durften daher nur der Imperator und die Senatoren Purpur tragen. Daraus entwickelte sich später die Tradition, einen roten Teppich für Monarchen und dann auch für Politiker auszurollen.
    Inzwischen assoziiert man ihn automatisch mit Promis und dem Filmbusiness. In den Annalen der Oscar-Verleihungen ist allerdings festgehalten, dass man die Teppich-Tradition ursprünglich von einem Luxuszug übernommen hat. Der 20th Century Limited, der Anfang des 20. Jahrhunderts zwischen New York und Chicago verkehrte, bot reichen Fahrgästen eigens die »Rote-Teppich-Behandlung« an. Das haben sich die Academy Awards also von der Eisenbahn abgeguckt.
    Ich bin gespannt, wie sich die ganze Sache weiterentwickelt. Während ich an meine ersten Teppichgänge noch höchst angenehme Erinnerungen habe, erinnert er mich heute eher an so etwas wie eine Nahkampfzone. Besonders beunruhigend ist zu beobachten, wie sich das Verhalten der Fotografen über die Jahre verändert. Ich warte eigentlich nur noch auf den Tag, an dem mal einer den anderen im Gedränge mit dem Messer absticht. Denn das ist ein Geschubse, Gekratze und Gebeiße, – und vor allem ein Gebrülle – als befände sich das Land im Bürgerkrieg. Oder auf einer aggressiven Demo, kurz bevor die ersten Steine fliegen, und die Polizei mit Schlagstöcken dazwischengehen muss.
    Je nach Größe der Veranstaltung sind das ja an die 30, 40 Meter, in denen nur Fotografen in Achterreihen stehen, und alle feuern im Nanosekundentakt ihre Blitzlichter ab. Abgesehen davon, dass man völlig blind wird von dem Geblitze, rufen ungefähr tausend Leute gleichzeitig: »Heiner!« »Heiner!« Als wenn man da überhaupt noch irgendwo gezielt hingucken könnte. Sie könnten auch alle ganz still sein, es hätte genau den gleichen Effekt, weil sie sich gegenseitig neutralisieren. Hoffentlich kommt nicht bald einer auf die Idee, mit einem Megaphon nachzulegen. Es würde zu einem entsetzlichen Wettrüsten führen.
    Ich würde gerne mal so eine Ahnenreihe aufstellen: »Fotografen gestern und heute«. Wenn man sich vorstellt, wie Fotografen zu Beginn der Rote-Teppich-Fotografie möglicherweise aussahen, dann waren das vermutlich Männer oder Frauen jeglicher Statur, Größe und Fein- oder Grobschlächtigkeit. Und dann hat sich im Laufe der Jahre immer mehr ein bestimmter Typus herauskristallisiert, im Sinne des Survival of the fittest, wie vom Affen hin zum Menschen, nur eher in umgekehrter Ausprägung: Immer breitere Schultern, dickere Ellenbögen, höherer Wuchs und was man sonst noch braucht, um sich in der Rote-Teppich-Meute zu behaupten. Irgendwann sehen die Fotografen alle aus wie Arnold Schwarzenegger oder Sumo-Ringer, oder sie kommen gleich mit einem Patronengürtel zum Shooting. Eine Kampfsportausbildung gehört vermutlich längst zur Grundausbildung, mit Spezialkursen: »Wie boxe ich am besten mit der Kamera in der Hand, ohne dass der Akku abfällt« und Ähnlichem. Die Kollegen von der berichtenden Zunft sind aber auch nicht besser. Da gibt es ganz unterschiedliche Typen.
    D IE F RECHEN :
    »Herr Lauterbach, Sie haben in Ihrem letzten Film einen Professor gespielt. Also einen intelligenten Menschen. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?«
    D IE MIT GEISTIGER Z ENTRALVERRIEGELUNG :
    »Herr Lauterbach, könnten Sie mir eine Frage beantworten?«
    Ich: »Dafür stehe ich hier.«
    »Wie?«
    D IE D ISKUTIERFREUDIGEN :
    »Wird es nicht mit der Zeit langweilig, immer über diese roten Teppiche zu laufen?«
    »Doch.«
    »Warum tun Sie’s dann?«
    D IE A NZÜGLICHEN :
    »Was müsste Ihre Frau tragen, um Sie so richtig heiß zu machen?«
    »Einen Kasten Bier – aus dem Keller.«
    D IE N ASSFORSCHEN :
    »Sie werden ja mitunter als Frauenschwarm bezeichnet. Wie erklären Sie sich diese Fehleinschätzung?«
    D IE E INFALLSLOSEN :
    »Auf was freuen Sie sich heute Abend am meisten?«
    D IE S CHERZKEKSE :
    »Ihre wievielte Filmpremiere ist das heute, Herr Ochsenknecht?«
    O DER DIE K ORINTHENKACKER :
    »Können wir Sie kurz ansprechen? So, noch

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