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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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ein bisschen zurücktreten und jetzt etwas nach links.«
    »Junger Mann, falls sie vorhatten mich zu nerven – Mission erfüllt.«
    Und viele mehr. Andererseits haben es die guten Leute auch nicht einfach. Was soll man auf die Schnelle schon fragen, ohne dass es abgedroschen, oberflächlich oder bescheuert klingt? Ehrlich gesagt würde mir da auch nichts einfallen.
    Auch die Pressekonferenzen bei Film- und Fernsehpremieren können ziemlich anstrengend sein. Man führt ein Interview nach dem nächsten. Und muss ungefähr hundert Mal das Gleiche sagen. Wenn die Veranstaltung in Berlin ist, fahre ich um sieben von zu Hause los, fliege nach Berlin, was ja vom Starnberger See eine halbe Weltreise ist und hetze in ein Hotel, in dem das Ganze stattfindet. Dann spreche ich acht Stunden lang mit ungefähr hundert Leuten, die mich alle dasselbe fragen. Wenn ich dann um 22 Uhr wieder zu Hause bin, mag ich kein einziges Wort mehr reden. Viktoria könnte dann sogar behaupten, Frauen wären die besseren Fußballspieler – ich wäre schlicht zu erschöpft, um noch zu widersprechen. Pressekonferenzen sind wie diese chinesische Folter, diese Tropfenfolter, bei der dem Opfer der Tropfen immer auf die gleiche Stelle fällt und es mit der Zeit wahnsinnig werden lässt. Immer wieder die gleiche Frage: »Wie haben Sie sich mit der Rolle identifiziert?« Zunächst sagt man, was einem so einfällt: »Ich habe mich gefreut über das Rollenangebot, weil es eine neue Herausforderung für mich darstellt.« Nach drei, vier Runden, kann man seine eigene Antwort nicht mehr hören und variiert ein bisschen: »Als mich der Produzent anrief, war ich sehr glücklich. Endlich konnte ich mal wieder einen Bösewicht spielen.«
    Dann kann man auch die Variation nicht mehr hören und fängt an zu schwafeln, nur um etwas anderes zu sagen: »Ich habe schon lange auf so ein Angebot gewartet. Nicht, dass ich keine Angebote kriegen würde, aber dieses Angebot war schon etwas Besonderes. Was man nicht alle Tage kriegt. Deswegen hab ich mich ja auch so gefreut.«
    Am Ende verliert man sich in den Irrungen und Wirrungen der deutschen Grammatik: »Als ich dieses Angebot bekam, ich glaube es war an einem Dienstag, könnte sich aber auch um ein Wochenende gehandelt haben, überkam mich so etwas wie, heute würde man vielleicht sagen, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, Freude, ja ich glaube es war Freude, vielleicht mit einer Spur … äh, wo war ich?« – und fängt aus lauter Verzweiflung und Resignation wieder mit der ersten Version an.
    »Ich habe mich gefreut über das Angebot …«
    Der Wille ist gebrochen.
    FILMBÄLLE
    Früher war ich auf jedem Filmball der Erste und der Letzte. Frei saufen, viele Damen, da mussten sie mich schon aus dem Lokal kehren, wollten sie die Stühle hochstellen – wenn ich nicht schon in einem Hotel war mit einer Frau, die ich kurz zuvor aufgegabelt hatte und mit der ich die Party dann eben privat verlängerte.
    Heute bin ich lieber um zehn Uhr wieder zu Hause, wenn Viktoria mich überhaupt noch überredet bekommt, auf so einen Filmball zu gehen. Ich kann mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen, wie ich das damals so vergnüglich finden konnte. Denke ich heute an einen Filmball, löst das bei mir eher Verspannungen aus, denn warme Gefühle.
    Ganz gleich, wo man ein Plätzchen findet, bei diesen Filmball-Essen sitzt man eigentlich immer schlecht. Es gibt da nur zwei Möglichkeiten: Entweder man wird von der gegenüberliegenden Seite fotografiert. Dann hängen die Fotografen einem direkt vor der Nase und stupsen einem das Objektiv ins Gesicht. Tausende Blitzlichter prasseln auf einen nieder und man wird fotografiert, wie man grad kaut und schluckt – das ist, wie man sich vorstellen kann, alles andere als vorteilhaft. Viktoria und ich unterstützen uns da nach besten Kräften. »Schatz, dir hängt da noch eine Nudel im Haar!« »Und du hast grad Hummersoße auf dein Hemd gekleckert.«
    Oder sie interessieren sich gerade nicht für dich, sondern wollen dein Gegenüber fotografieren. Das ist auch nicht viel angenehmer. Dann hat man die Truppe im Nacken und sie schubsen und drängen einen nach vorne, dass man mit der Nase im Krabbencocktail landet. Ich trinke ja heute nur noch zwei Gläser Rotwein, wenn überhaupt, während um mich herum kräftig gebechert wird. Wenn mir das betrunkene Gerede zu viel wird, fahre ich einfach nach Hause. Auch da habe ich eine Regel eingeführt, die mir bei der Entscheidung hilft: Wenn mir

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