Man lebt nur zweimal
kostbare Tierchen in den Bereich der Normalsterblichen führen und begaffen lassen mussten.
Ich finde solche Arrangements mehr als armselig. Meiner Meinung nach steckt da schon vom Ansatz her der Wurm drin: Wenn Menschen in Smoking und Abendkleid, Porsche und Ziehharmonika-Limousine vorfahren, um Lachs und Kaviar zu futtern, Champagner zu trinken und wertlosen Tand zu ersteigern, dann finde ich das an sich schon eine traurige Verschwendung von Lebenszeit und Ressourcen. Aber wenn das alles auch noch im Namen einer guten Sache geschieht, dann würde ich doch vorschlagen, die Leute bleiben besser gleich zu Hause und zahlen die gesparte Kohle auf ein Spendenkonto. Und meinetwegen sogar noch einen kleinen Bonus aus lauter Dankbarkeit darüber, dass ihnen die schlimme Party erspart geblieben ist.
Es gibt doch diese Drückerbanden, die einen an Hauptbahnhöfen und in Einkaufsmeilen abfangen und eine Unterschrift samt Spendenabo vom Tierschutzverein Klein-Machnow oder irgendwelche fadenscheinigen Lotterielose für eine Blutkonservensammelstelle in Buenos Aires andrehen wollen. Und man weiß immer schon: Die schmeißen die Unterschriftenliste am Ende des Tages in die Mülltonne, steigen in ihren Mittelklassewagen, der hinter dem Bahnhof parkt, und kaufen sich von der eingesammelten Kohle einen neuen Plasmafernseher. Charity-Partys funktionieren nach dem gleichen Prinzip, nur noch eine Dimension schlimmer. Ich bin mir sicher – von diesen Partys profitieren nur die Agenturen, sonst keiner.
Kürzlich hat mich so ein Typ von einer Agentur angerufen, der mir einen fantastischen Deal anbieten wollte. Dazu sollte man vielleicht ergänzen, dass mich der Agentur-Mensch in einem etwas unglücklichen Moment erwischte. Formel 1. Gucke ich hin und wieder ganz gerne mal im Fernsehen an.
»Wir wollen Sie zu einem Fotoshooting einladen. Es geht um eine völlig innovative Art, Werbung und Charity zu verbinden.« Das sollte mich wohl neugierig machen.
»Um welches Produkt handelt es sich denn?«, fragte ich. Ich war nicht ganz bei der Sache.
»Eine Kreditkarte.«
»Aha. Und wie soll die Werbung genau aussehen?« Vito hatte die Gelegenheit genutzt und war durch die offene Tür ins Zimmer geflitzt, als Viktoria mir den Hörer gereicht hatte. Nun stand er genau vor dem Fernseher, sodass ich das Überholmanöver von Sebastian Vettel nicht beobachten konnte. Ich machte wütende Bewegungen in seine Richtung, die er aber leider falsch deutete. Anstatt sich zu verziehen, winkte er fröhlich zurück.
»Wir lassen Sie von einem fantastischen Fotografen ablichten«, flötete der Agenturmensch derweil in den Hörer. »Ganz fantastisch.« Er nannte einen Namen, den ich noch nie gehört hatte. Seine Stimme bekam dabei etwas so Ehrfürchtiges, als würde er von Helmut Newton oder Andy Warhol sprechen.
»Und wie soll das aussehen?«
»Sie mit nacktem Oberkörper, nur die Kreditkarte vor der Brust.«
»Aha.« Ich betrachtete wohlwollend meinen gut trainierten Bizeps.
»Also wären Sie dabei?«
»Na ja, vielleicht sollten wir uns erst mal über die Konditionen austauschen«, sagte ich.
»Selbstverständlich.«
Nachdem meine Handbewegungen nichts genutzt hatten, musste ich mich auf eine andere Taktik verlegen, um Vito von seiner Position vor dem Fernsehgerät zu entfernen. Ich öffnete die Arme in seine Richtung, lockte ihn also zu mir auf das Sofa. Das barg die Gefahr, ihn dann im wahrsten Sinne des Wortes am Hals zu haben.
»Ja, und wie sind nun die Konditionen?«, wollte ich wissen.
»Wir bezahlen 50000 Euro Gage«, sagte der Typ. Ich wollte gerade Luft holen, um mich zu der Summe zu äußern, da fuhr er fort: »Und die spenden Sie dann für einen guten Zweck.«
»Aha«, sagte ich. Ich erwartete, dass die Ausführungen irgendwie weitergingen. Wieder entstand eine Gesprächspause, die ich nutzte, um ein bisschen Formel 1 zu gucken. Soweit Vito, der um meinem Hals hing, es zuließ.
»Hallo?«, hallte es nun aus dem Hörer, während Vito mir in das noch freie Ohr pustete und Vettel in die Box fuhr.
»Ja, und wie geht es weiter?«
»Wie weiter?«, fragte der Typ irritiert.
»Na, wie werde ich dann bezahlt?«
»Nein, nein, das war’s. Das ist der Deal.«
Ich war kurz verdattert. Hatten mein Sohn und Vettel mich so abgelenkt, dass ich etwas nicht mitbekommen hatte? Oder hatte ich das tatsächlich richtig verstanden? Alle Welt wollte an der Aktion verdienen, jeder andere würde für seinen Job bezahlt werden, nur mir wollte man zum einen
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