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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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irgendwelchen armen Leuten auf den Wecker gehen. Die Zeitung ist noch völlig leer. Hm, da rufe ich doch mal bei einem Promi an und probiere, ihm eine hanebüchene Geschichte anzuhängen. – Das wäre nix für mich.
    HILFE! CHARITY!
    Wenn ich den Namen schon höre, zucke ich zusammen: Charity! Jeden Tag kommt mindestens eine Mail, ein Brief oder ein Anruf, dass wir zu einer Charity-Veranstaltung eingeladen werden sollen. Die verfolgen einen inzwischen genauso wie die ganzen Online-Casinos, Angebote für Penisverlängerung und Billig-Viagra. Und sie wirken auf mich ungefähr genauso verlockend.
    In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Dichte an Charity-Veranstaltungen ungefähr vertausendfacht. Das muss ein Wahnsinnsgeschäft sein. Ich verstehe gar nicht, wie sich die ganzen Anbieter auf dem Markt überhaupt noch halten können, bei dieser Konkurrenz.
    Für mich gibt es kaum eine fragwürdigere Veranstaltung als diese Luxuspartys. Ich erinnere mich an einen meiner letzten Besuche auf einer Charity-Party, das war im Bayerischen Hof, organisiert von irgendeiner kirchlichen Entwicklungshilfeorganisation. Beim Stichwort »Kirche« mögen einige vielleicht protestantische Demut und Sparsamkeit assoziieren. Doch auch hier war alles herausgeputzt wie im Hauptwohnsitz von Hugh Hefner.
    Bei der Ankunft wurden wir sofort als zur Promifraktion dazugehörig identifiziert und vom Rest der Gäste getrennt wie Schlachtvieh vom Weidevieh. »Bitte nach rechts hinauf, Herr Lauterbach!« Man geht dann auch durch unterschiedliche Eingänge, sitzt in unterschiedlichen Bereichen, benutzt unterschiedliche Toiletten. Zwei unterschiedliche Menschensorten.
    Als ich mich dann im Promibereich genauer umguckte, liefen da eigentlich genau die Leute rum, von denen ich mir nicht so viel Spaß erwartete. Abgesehen davon kannte ich auch nicht einen einzigen von ihnen. »Siehst du hier irgendwelche Promis?«, fragte ich Viktoria und nahm dieses Wort mal in den Mund, das ich sonst so hasse.
    »Ich weiß nicht, vielleicht kennen wir die einfach nicht?«, mutmaßte meine Frau. Ich sah sie an mit dem Blick, den sie eigentlich nicht so mag an mir.
    »Definiere mir doch bitte mal das Wort Prominenz«, sagte ich. »Ist man nicht deshalb prominent, weil einen jeder kennt?«, nahm ich ihre Antwort vorweg.
    »Die sind alle weltberühmt hier, nur wissen das die wenigsten«, strahlte Viktoria mich an und mein Abend nahm wieder halbwegs an Fahrt auf. Ich liebe ihren libanesischen Humor.
    »Ich kenne hier jedenfalls niemanden!«, maulte ich noch nach und setzte mich an meinen Platz. Während ich dabei war, die Anzahl der Gabeln neben meinem Teller zu zählen, klopfte mir jemand auf die Schulter. »Herr Lauterbach, darf ich sie kurz stören?« Schon geschehen dachte ich, stand auf und setzte mechanisch mein Charity-Lächeln auf.
    »Darf ich ihnen den Gastgeber des Abends vorstellen, Herrn Graf Silmoleit von Hechtenschwanz (oder was weiß ich)«, sagte der Schulterklopfer, der mich zuvor schon am Eingang abgefangen hatte und von dem ich auch jetzt noch nicht wusste, wer er war. Es kam noch ein dritter Herr hinzu, den ich weder kannte noch wusste, was er machte, sowie dessen Frau, die ich am allerwenigsten kannte. Sie erzählten mir was von »ressourcenschonendem Einsatz«, »Umweltschutz« und »Nachhaltigkeit«. Letzteres war drauf und dran, mein persönliches Hasswort des Jahres zu werden, weil ich es neuerdings überall hörte. Je wichtigtuerischer die Leute waren, je häufiger nahmen sie dieses Wort in den Mund.
    Später wurde ordentlich Essen aufgefahren. Mein Hemdkragen war zu eng und die Hose spannte. Ich nippte an meinem stillen Wasser und beobachtete die Menschen um mich. Wie sie die Zähne bleckten. Mit gesundem Appetit wurden Lachs und Kaviar verschlungen und mit viel Champagner heruntergespült. Es hätte mich nicht gewundert, wenn der eine oder andere Tupperware ausgepackt und sich noch was für zu Hause mitgenommen hätte.
    Ich musste an die Ressourcenverschwendung denken. Nachdem das Buffet in Windeseile heruntergefressen war wie ein Weizenfeld im Heuschreckenanflug, forderte man uns auf, wir sollten uns noch ein wenig unter das Volk mischen, gleich würde die Auktion beginnen.
    Ich fragte mich, wer eigentlich die bedauernswerteren Gestalten waren. Die Gäste, die sehr viel Geld dafür bezahlt hatten, um einmal neben dem Möchtegernmodel aus einer Heidi Klum-Staffel oder einem Dschungelcamper stehen zu dürfen. Oder wir Promis, die wir uns nun wie

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