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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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sollte ich meine Füße in bunte Turnschuhe stecken und meine Beine mit einer strumpfhosenartigen Leggins bekleiden, in der ich nicht einmal meinen engsten Freunden unter die Augen treten würde? Warum sollte ich den Fortschritt nicht nur Fortschritt sein lassen, sondern ihn auch noch um Jahrtausende zurückdrehen und mich freiwillig und auf den eigenen zwei Beinen um diesen See bewegen, den die Natur nun schon so malerisch und bequemerweise ja direkt vor meiner Haustür platziert hatte, zudem mit Holzbänken ausgestattet, die zum hinsetzen und verweilen einluden? Und wo sollte das enden? Wollte ich dann mit achtzig mit Rollerblades an den zittrigen Füßen und Riesenprotektoren an den Gelenken zum Schrecken der lokalen Landbevölkerung werden?
    Wenn ich einmal auf die andere Seite des Starnberger Sees wollte – zum Beispiel, um mich noch einmal zu vergewissern, dass meine Uferseite tatsächlich die schönere war –, dann nahm ich halt ein Motorboot. Das war auch viel kommoder. Außerdem hatte man beim Steuern eine Hand frei, um die Zigarette zu halten. Beim Joggen war das mit dem Rauchen eher schwierig. Ich habe jedenfalls noch nie einen Jogger gesehen, der es in halbwegs überzeugender Eleganz geschafft hätte, beim Laufen eine Kippe in der Hand zu halten.
    Heute bin ich selbst einer von denen, die ihre Gesundheit nicht nur ernst nehmen, sondern auch einiges tun dafür. Ich meine damit nicht nur Apotheken-Rundschau lesen, Vitamintabletten schlucken oder sich einen Termin beim Arzt geben lassen. Das kann jeder. Ich mache fünf Mal in der Woche Sport, ich achte auf mein Gewicht, ich habe das Gefühl, ich nehme an manchen Tagen mehr biologisch angebautes Grünzeug zu mir als ein ausgewachsener Koala-Bär und von Nikotin und anderen Drogen lasse ich die Finger. Ich bin heute mit meinen sechzig Jahren leistungsfähiger und fitter, als ich es mit vierzig war.
    Eine Freundin von meiner Frau hat einmal gesagt, die Viktoria hätte das schon recht geschickt angestellt. »Du hast dir einen älteren Mann gesucht, der schon ein bisschen Geld und Erfahrung hatte«, meinte sie zu ihr und lachte, nachdem sie mir eine Weile beim Rudern in meinem eigenen kleinen Fitnessstudio zugesehen hatte. »Und dann hast du dir deinen Mann einfach wieder zehn Jahre jünger hintrainiert!«
    Dass ich jetzt so fit und gesund bin, und zwar nun schon seit gut zehn Jahren, kommt mir heute so normal vor wie die Tatsache, dass auf Freitag Samstag folgt. Aber manchmal muss selbst ich noch ein wenig schmunzeln, wenn ich an mein früheres Leben zurückdenke. Es ist natürlich schon ein gewaltiger Kontrast, wenn man mein jetziges Leben damit vergleicht, wie ich früher meine Tage und vor allem meine Nächte gestaltet habe. Hätte zum Beispiel Mutter Theresa eine ähnlich große Wende in ihrem Leben hinlegen wollen, sie hätte umgekehrt schon bei den Hells Angels eintreten müssen, um einen vergleichbaren Kontrast zu erzeugen.
    Manch ein Taxifahrer, der mich noch von früher kennt und mich damals oft in die Stadt gefahren hat, ist heute noch erstaunt, wenn er auf die Frage: »Wo soll’s denn hingehen?«, die Antwort erhält: »Ins Fitness-Studio.« Und nicht: »In die nächste Kneipe« (oder Schlimmeres.)
    Es ist gar nicht so lange her, dass ich ein seltsames Schreiben aus dem Briefkasten fischte. Es war ein Brief von der Bunten, adressiert an mich persönlich. Da es sich also nicht um die übliche Korrespondenz zwischen dem Burda Verlag und meinem Management zu handeln schien, machte ich den Brief auf und las die Betreffzeile, und daraufhin den ganzen Brief: Es ging darum, dass ich nominiert worden war für einen Preis.
    Nun stand ich allerdings nicht zur Wahl zum »The Sexiest Man Alive« – was meiner Meinung nach, trotz aller Bescheidenheit, auch ein angemessener Preis gewesen wäre und sich als Trophäe auf unserem Kaminsims besonders hübsch gemacht hätte. Es ging auch nicht um einen Film, den ich in letzter Zeit gedreht hatte. Genauso wenig sollte ich zum »Pünktlichsten Schauspieler des Jahres« gekürt werden, oder, was mich noch weniger verwundert hätte, zum »Größten Partykönig der Neunziger Jahre«. Nein, tatsächlich informierte man mich, dass ich in die engere Auswahl gekommen war zum »Gesundheitsmann des Jahres«. Ausgerechnet ich. Gesundheitsmann! Das fand ich schon ganz witzig.
    Mich amüsierte das sogar so sehr, dass ich sofort meine Frau anrief. Viktoria beschloss spontan: »Die Wahl gewinnst du!« Viktoria ist allerdings immer

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