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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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bittet Fritzchen zu sich:
    »Fritzchen, heute kommt der Onkel Mike zu Besuch.«
    »Na und?«
    Die Mutter druckst herum.
    »Also es ist so …«
    »Ja?«
    »Also der Onkel Mike … der hat eine sehr lange Nase … und ich möchte nicht, dass du auch nur ein Wort darüber verlierst.«
    »Geht klar«, sagt Fritzchen und verschwindet in seinem Zimmer.
    Gerda sieht ihm nach und hat kein gutes Gefühl.
    Mike kommt, Gerda hat Schwitzehändchen vor Aufregung. Fritzchen hat nur Augen für Mikes Nase, aber er sagt nichts.
    Während des Essens erzählt Mike seine lustigen Geschichten. Aber keiner lacht. Fritzchen schaut nur auf die Nase. Gerda schwitzt.
    Der Hauptgang ist vorbei, die Nachspeise kommt. Fritzchen fixiert die Nase. Die Mutter schlingt die Nachspeise runter, zieht Fritzchen aus dem Zimmer, um ihn endlich ins Bett zu bringen. Völlig erleichtert kommt sie an den Tisch zu Mike zurück:
    »So, jetzt mach ich uns erst mal ’n Kaffee, was meinst du Mike?«
    »Gern. Wo ist denn Fritzchen?«
    »Ach, der war so müde. Den hab ich ins Bett gebracht«, sagt Gerda immer noch erleichtert und dankbar, dass Fritzchen endlich im Bett ist. Sie steht auf, um den Kaffee zu machen. Auf dem Weg in die Küche ruft sie Mike über die Schulter: »Was ist Mike, nimmst du auch Zucker und Milch in deine Nase?«
    DER GESUNDHEITSMANN
    Das ging schon mit diesem Wort los.
    »Gesundheit«!?
    War das nicht das Wort, das man sagte, wenn einer niesen musste?
    Ich muss gestehen: Früher habe ich diesem Wort keinen besonderen Stellenwert beigemessen. In meinem aktiven Wortschatz kam »Gesundheit« in etwa so häufig vor wie das Wort »Dunstabzugshaube«, »Lockenstab« oder »Quadratwurzel« – also so gut wie gar nicht. Junge Menschen machen sich keinen Kopf um Herzklappen, Leberwerte oder Raucherhusten. Wenn man ihnen zur Abschreckung im Schulunterricht eine verteerte Raucherlunge zeigt, passiert bekanntlich Folgendes: Auf diesen Schock müssen sie sich erst einmal eine Kippe anstecken.
    So kreisten auch meine allgemeinen Lebensbetrachtungen als junger Mensch eher um Filme, Frauen und alle legal oder illegal erhältlichen Formen von Rauschmitteln – wenn ich mir denn überhaupt sehr planerische Gedanken über meine nächste Zukunft machte. Manchmal gingen die Pläne auch nicht über die Frage hinaus, in welcher Kneipe ich am nächsten Abend Karten spielen oder in welcher Stadt ich in den nächsten Wochen halbwegs pünktlich zum Dreh erscheinen musste. Das meiste ließ ich einfach auf mich zukommen wie der Golfball seinen Schläger – Hauptsache, es gab einen guten Drive.
    Meine eigenen körperlichen Befindlichkeiten waren für mich jedenfalls jahrelang kein großes Thema, genau genommen sogar jahrzehntelang nicht. Eher schon war Gesundheit für mich so etwas wie eine Ressource, die man bedenkenlos verbrauchen durfte, wie Luft oder Sonnenlicht. Ein Multimillionär machte sich ja auch keinen Kopf darum, ob sein Kleingeld reichte. Der nahm so lange Geld aus dem Portemonnaie, bis der Beutel leer war. Und dann holte er neues Geld von seinem Bankkonto. So verfuhr ich auch mit meiner Gesundheit. Das Konto schien voll, mein Dispo unerschöpflich.
    Wenn früher einer zu mir sagte: »Rauchen ist aber ungesund!«, dachte ich mir als junger Mensch: »Ich weiß schon!« Und dann: »Aber was interessiert mich das?« Menschen, die anstatt Steak nur noch Salate aßen, kamen mir immer ein wenig freudlos vor. Obwohl ich schon als kleiner Junge gerne und viel Salat gegessen habe. Meine Mutter stellte uns Kindern immer eine Schale Grünes auf den Tisch. Aber eben als Beilage, nicht als Hauptgang – und schon gar nicht als einzige Mahlzeit.
    Früher habe ich mir, wenn ich irgendwo auf einer Sonnenliege lag und einen Long Drink bestellt habe, immer einen langen Strohhalm ins Glas stecken lassen, damit ich beim Trinken nicht aus versehen einen Sit-up gemacht habe. Wenn mich Männer gefragt haben, wie viel Gewicht ich heben kann, habe ich geantwortet: »Seh’ ich aus wie ’n Gabelstapler?« Am lustigsten aber fand ich immer die Menschen, die freiwillig um den See vor meiner Haustür joggten, am besten noch in professioneller Fitnesskleidung oder mit diesen Nordic-Walking-Stöcken in der Hand, die eine Weile so in Mode waren. Ich meine: Da kann die Menschheit nun auf so viele Jahre Zivilisationsgeschichte zurückblicken. Die Menschen haben das Rad erfunden, Motoren und bequeme Autositze und sie haben außerdem gelernt, sich halbwegs modisch einzukleiden. Warum

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