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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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aus zugucken würde? Der Erlös hätte vermutlich nicht einmal für eine anständige Krawatte zu meiner Beerdigung gereicht.
    Ich sage das hier alles mit einem Augenzwinkern, und das soll auch so bleiben. Ich will mich weder als großer Moralapostel aufspielen noch mich als einen Helden feiern, weil ich es geschafft habe, mein Leben umzukrempeln. Aber ich weiß, dass es ganz viele Menschen gibt – nicht zuletzt in meinem früheren Freundeskreis – die ein bisschen Moral und auch den einen oder anderen Apostel gut gebrauchen könnten. Und das ist der einzige Grund, warum ich das hier noch einmal so offen sage: Wenn ich damals das Ruder nicht noch in letzter Sekunde herumgerissen hätte, hätte sich die Krawatten-Frage in der Tat gestellt. Und das wäre schade gewesen. Für mich zumindest. Dann hätte es nämlich so viel anderes auch nicht gegeben, was mich heute glücklich macht. Meine kleine Familie zum Beispiel. Oder die Filme, die ich drehe. Oder meine Freunde. Mein Klavier. Und vieles mehr.
    Wenn ich eines mit diesem Buch gerne vermitteln möchte, dann das: Es ist eigentlich nie zu spät, die Notbremse zu ziehen. Es ist immer noch Platz für ein zweites Leben.
    Es ist erstaunlich, was alles möglich ist, und wie viel der Körper und das ganze Leben bereit ist, noch einmal zu verzeihen. Man muss dafür kein großer Held sein. Ich war weder prädestiniert dazu, Alkoholiker zu werden, noch habe ich über magische Fähigkeiten verfügt, die es mir erlaubt haben, meinem Leben eine positive Wende zu geben. Also nochmals: Auch wenn man sich nicht im Entferntesten vorstellen kann, dass da noch was zu kitten ist, wenn man körperlich, geistig und seelisch am vermeintlichen Ende ist, wenn der Willen schon gebrochen scheint – es ist nie zu spät.
    Es gab ein paar Umstände in meinem Leben, die dazu geführt haben, dass ich in bestimmte Kreise geraten bin und dass ich angefangen habe, regelmäßig und viel zu trinken. Das passiert schneller, als man denkt. Ich bin nicht zum Alkoholiker geboren und ich hatte es auch nicht schwer im Leben, sodass ich keinen anderen Ausweg sah, als meinen Kummer im Schnaps zu ertränken. Ich bin da einfach so hineingeraten. Und genauso wie ich da hineingeraten bin, bin ich da auch wieder herausgekommen.
    Der Mensch verdrängt ja, was nicht so schön war im Leben und erinnert sich lieber an die guten, alten Zeiten. Aber ich weiß genau, dass es sich allzu gut am Ende nicht mehr anfühlte, und deshalb kann ich auch besser als manch ein Sozialarbeiter oder anderer Experte beurteilen, wie es Leuten geht, die an diesem Punkt sind, an dem ich damals war. Und ich weiß, wovon ich rede, wenn ich Jugendlichen rate, das mit Alkohol und Drogen lieber sein zu lassen.
    Ich habe damals gehustet wie ein defekter Auspuff. Wenn man mich zum Beispiel gebeten hätte, ein paar Meter zu joggen – ich wäre womöglich tot zusammengebrochen. Meine Cholesterin-Werte waren jämmerlich. Durch meine Adern floss quasi zerronnenes Schmalz. Mein Herzmuskel war angegriffen, was sich medizinisch ausgedrückt als Vorhofflimmern bemerkbar machte und ganz real als Stechen in der Brust, wenn ich nur mal eine Treppenstufe nehmen wollte. Meine Leber war vergrößert und die Werte so schlecht, dass mein Arzt nur noch zu dramatischen Adjektiven griff, wenn er mit mir darüber redete. Dass die Leber ihren Dienst nur noch widerwillig verrichtete, wusste ich selbst, ich fühlte ja das Gift in meinem Körper. Wenn ich einmal keine Kopfschmerzen hatte, fragte ich mich, ob ich eigentlich noch am Leben war, und mein Magen war so sauer, dass man darin vermutlich einen Eisennagel hätte auflösen können. Schon wenn ich mir die Schnürsenkel zubinden wollte, hatte ich danach einen Kopf so rot wie eine Blutorange. Mein Arzt sagte mir damals, dass ich noch einen Monat bis ein Jahr zu leben hätte, wenn ich so weitermachte. Er hätte es mir aber gar nicht zu sagen brauchen. So etwas spürt man auch selbst. Man merkt, dass die anderen betreten schweigen, wenn man über längerfristige Zukunftspläne redet. Vermutlich hätte mir keiner meiner Freunde damals noch einen Kredit gegeben, der eine längere Laufzeit als ein, zwei Jahre gehabt hätte. Meine Gedanken drehten sich dennoch permanent darum, was ich als Nächstes trinken könnte. Ist ja auch irgendwie verständlich. Schließlich stand es nicht so gut um mich und ich musste dringend etwas unternehmen, um mich möglichst schnell von diesen unguten Gedanken abzulenken.
    Das soll an dieser

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