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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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Rolle.
    So bringt zum Beispiel die Salatbar in Reichweite und eine Treppe die deutlich näher liegt als der Aufzug, viel mehr als noch so gute Informationen oder wohlgemeinte Ermahnungen. Denn die meisten Entscheidungen treffen Menschen aus Routine und Gewohnheit. Sie würden gerne gesünder essen und sich mehr bewegen. Umso leichter ihnen das gemacht wird, desto eher gelingt eine dauerhafte Verhaltensänderung. Daher kann es eine wichtige Rolle spielen, wo in der Kantine die Salatbar untergebracht ist, oder ob der Fahrstuhl so enervierend langsam fährt, dass sie freiwillig auf die Treppe umsteigen.
    Ich habe zum Beispiel ein Fitnessstudio in meinem eigenen Haus. (Okay, diesen günstigen Umstand habe ich mir selbst geschaffen.) Ich muss mich also nicht erst umziehen, mich ins Auto setzen und mich überwinden, in ein Studio mit hundert anderen schwitzenden Leuten zu gehen, um zu meinem regelmäßigen Training zu kommen. Und eine traumhafte Lauf- und Radstrecke habe ich direkt vor der Tür. Ich bin auch in der vorteilhaften Lage, über sehr flexible Arbeitszeiten zu verfügen. Dass ich fünf Mal in der Woche trainieren kann, hat damit zu tun, dass ich so viel Freizeit habe. Bei einem Dreh außerhalb kann ich mir ein gutes Hotel leisten, in dem ich ebenfalls ein paar Geräte habe.
    Wenn ich den ganzen Tag im Büro oder auf dem Bau schuften müsste – ich weiß nicht ob ich mich dann abends noch mal an die Rudermaschine in einem fern gelegenen Fitnessclub setzen würde. Oder aufs Rad stiege, um in einem überfüllten Stadtpark zwischen Hundehaufen Slalom zu fahren. Vielleicht würde ich das tun. Vielleicht aber auch nicht.
    Deshalb bin ich vorsichtig damit, andere zu ermahnen: »Treib doch jeden Tag Sport, du faule Sau. Ist ganz einfach. Mach ich doch auch.«
    THEORETISCHER VEGETARIER
    Wie gesagt, schlecht gegessen habe ich nicht. Salat, Knoblauch und Gemüse hat es in meinem Leben vorher schon gegeben. Ich hatte nie besonders große Lust auf Süßigkeiten, und auch fettes Essen reizte mich wenig. Nachdem ich durch den Verzicht auf die hochprozentigen Kalorien ohnehin recht schnell an Gewicht verloren hatte, erhöhte ich zusätzlich noch den Anteil der Farben auf meinem Teller.
    Beim Dreh ist es heutzutage kein großes Problem mehr, sich gesund zu ernähren. Das Catering ist in den letzten Jahren viel besser geworden. Nicht nur müssen Vegetarier inzwischen nicht mehr verhungern, es landen ja auch die neuesten Ernährungstrends als Allererstes bei den Schauspielern. Wenn es beim Catering nur Pommes und Torte gäbe, würden die zur Meuterei ansetzen. Schließlich müssen Schauspieler immer besonders darauf achten, schlank und gut auszusehen. Sie leben ja davon. Viele zumindest.
    Viktoria war schon auf dem Biotrip, bevor wir uns kennenlernten. Dank ihr gibt es heute nur noch Bio-Essen bei uns. Ich bin sehr froh darüber, natürlich auch im Interesse der Tiere.
    Denn obwohl man es mir nicht ansieht und ich leider auch nicht danach handele – im Grunde bin ich Vegetarier. Also, im Kopf und im Herzen. Nur in der Praxis, da schaffe ich es noch nicht so ganz.
    Ich könnte mir vorstellen, dass die Menschen in hundert oder hundertfünfzig Jahren den Kopf darüber schütteln werden, dass wir heute so viel Fleisch essen. Sie werden uns für wild und barbarisch halten, so wie wir uns nicht mehr vorstellen können, dass Menschen einander früher wirklich als Sklaven gehalten oder sich bei Gladiatoren-Kämpfen gegenseitig ermordet haben.
    Wenn die Geschichtslehrer in 200 Jahren ihren Schülern aus dem zurückliegenden 21. Jahrhundert berichten, werden sie ihnen sagen: »Stellt euch mal vor, bis zum Jahre 2050 haben die Menschen Tiere gegessen, die sie eigens dafür gezüchtet und in engen Ställen gehalten haben.« Und die Kinder werden angeekelt die Gesichter verziehen über ihre verrückten Vorfahren und es kaum glauben können, während sie in ihre Tofu-Brötchen beißen und multibiotische Bambusdrinks trinken, oder was auch immer der letzte Schrei sein wird im Jahr 2213.
    Dass wir wehrlosen Kaninchen einfach in den Nacken beißen, wird uns bei unseren Nachfahren in ein schlechtes Licht setzen. Wenn man unser Treiben auf der Erde betrachtet, aus der Vogelperspektive, scheint mir das neben den Kriegen, die wir gegeneinander führen, eine der größten Barbareien. Die Massentierhaltung, die Schlachthöfe, die Hühnchenfarmen, diese perversen Bedingungen, unter denen wir Tiere halten und dazu bringen wie perfekte Maschinen jeden

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