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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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Lance Armstrong. Dem amerikanischen Radprofi hat man seine sieben Tour-de-France-Siege aberkannt, weil er zu viel gedopt hat. Er hat alles geschluckt, um sich schneller zu machen, während ich alles geschluckt habe, um mich langsamer zu machen.
    Vom sportlichen Gedanken her eigentlich sehr fair. Vielleicht sollte man mir die sieben Titel zusprechen. Heiner Lauterbach, der Lance Armstrong der Anti-Doper.
    Wenn auch sonst wenig Gutes darin steckt – eines ist in Alkohol garantiert enthalten: Jede Menge Kalorien. Ein ordentlich eingeschenkter Caipirinha hat bereits 500 Kalorien, eine Flasche Wodka über 2000. Macht schon einmal fünf Tafeln Schokolade.
    Wenn Sie von einem Tag auf den anderen fünf Tafeln Schokolade weniger zu sich nehmen, ist leicht ersichtlich, warum Sie dann abnehmen. Wenn man dazu noch anfängt Sport zu machen, ist das Abnehmen wirklich kinderleicht. Außerdem, ich sag’s ihnen, es ist alles eine Gewohnheitssache. Früher bin ich in mein Hotelzimmer gekommen, hab als Erstes die Minibar aufgerissen und schlecht gelaunt hineingebrüllt: »Ist hier irgendein alkoholischer Drink, der sich freiwillig meldet?« Heute greife ich nur noch zum »stillen Wasser«. Aber auch die können tief sein, wie wir wissen. Prost!
    Natürlich habe ich nicht von einem Tag auf den anderen aufgehört zu trinken, sondern mich langsam heruntergetrunken. Es gibt ja nichts Unangenehmeres, als eine Sucht abrupt zu beenden – es sei denn, man möchte einmal wirklich ganz genau wissen, wie abhängig der eigene Körper ist von dem Suchtstoff. Mitunter kann es sogar richtig gefährlich sein, abrupt aufzuhören. Man sollte das in jedem Fall in Absprache mit einem Arzt machen.
    Zwar bekommt ein Abhängiger, wenn er mit dem Alkohol aufhört, ganz sicher keine Entzugserscheinungen wie ein Junkie, der aufhört, Heroin zu spritzen. Er braucht keinen Ersatzstoff wie Methadon und auch keine Schmerzmittel. Aber der Körper findet schon seine Mittel und Wege, verständlich zu machen, dass er gerne Nachschub hätte. Der Stoffwechsel stellt sich um. Das ist der Grund, warum man schon am Morgen nach einer durchzechten Nacht nichts dringlicher sucht als die nächste Gelegenheit, einen Schluck zu trinken, noch vor dem eigentlichen Frühstück. Angeblich schläft man nach Alkohol so schlecht – von wegen Schlummertrunk –, weil selbst nach einem kleinen Glas der Körper mit leichtem Entzug reagiert und einen aufwachen lässt, damit man aufsteht und schnell etwas hinterherkippt.
    Beim Alkoholentzug hat man morgens kalten Schweiß auf der Stirn. Die Hände zittern stark und man fühlt sich miserabel. Starke Kreislaufstörungen, Schwindelanfälle bis hin zur Todesangst sind die Symptome, von denen ich persönlich sprechen kann. Ich weiß nicht, wie weit das noch gehen kann.
    Alkoholiker tun alles dafür, dass der Weg zum nächsten Schnapsglas nie zu weit ist. Daher habe ich mir in meiner harten Phase zum Beispiel auch auf meinen Bühnen immer kleine Verstecke gesucht, um dort zumindest einen winzigen Underberg zu verbergen, den ich dann während des Stücks unauffällig zu mir nehmen konnte. Ich hätte sonst nicht entspannt und gut spielen können. Manchmal suche ich ein Bühnenbild noch heute nach guten Versteckmöglichkeiten ab. Natürlich ist das nur ein Gedankenspiel. Ein Reflex.
    Man sieht also – es braucht für eine Alkoholiker-Karriere durchaus ein gewisses Planungstalent. Vor allem, wenn man vor den Kollegen höchstens als feuchtfröhlicher Mensch dastehen möchte, keinesfalls aber als kläglicher Alki, der ohne seinen Stoff das Zittern anfängt.
    Heute verwende ich diese Talente zu schöneren Dingen. Zum Beispiel an Ostern. Niemand versteckt die Osterpräsente so gut im Garten wie ich. Ich finde immer einen todsicheren Platz, auf den keiner kommen würde. Allerdings hagelt es am Ende Kritik, weil meine Verstecke so gut sind, dass höchstens die Hälfte der Beute wieder ans Tageslicht zurückfindet. Zumindest am Ostertag. Irgendwann im Hochsommer tritt dann ein Kind auf einen alten Schokoladenhasen, unser Gärtner entdeckt ein Osterpräsent, oder der Nachbarshund gräbt ein bemaltes Ei aus.
    Das Heruntertrinken selbst ist dann gar nicht so schwer, man darf sich nur nicht dabei beschwindeln. Ich hatte, auch in meinen härteren Zeiten, immer wieder Phasen, in denen ich nichts getrunken habe. So für ein bis vier Wochen. Einmal habe ich mir vorgenommen, keine harten Sachen mehr zu trinken und keinen reinen Wein mehr. Also nur noch

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