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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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genau hinschauen dürfte, hätte man Schwierigkeiten, sein eigenes Zeichen zu treffen. Man kann sich vorstellen, wie schwer das Ganze wird, wenn man dabei gar nicht hinsehen darf. Denn es wäre natürlich unvorteilhaft, auf der Leinwand später Schauspieler dabei zu beobachten, wie sie auf der Suche nach ihrer Marke permanent auf den Boden gucken.
    Auch der Tonmeister ist nicht leicht zufriedenzustellen. Er bittet einen, den Satz lauter zu sprechen, dafür die Tür leiser zu schließen, oder darauf zu achten, das Glas nicht in dem Moment auf den Tisch zu stellen, in dem der Kollege seinen Monolog hält. Dann kommt vielleicht noch der Beleuchter und beanstandet, dass man dem Kollegen das Licht genommen hat, was sich ganz leicht beheben ließe, indem man an der einen Stelle das Gewicht ein bisschen auf den linken Fuß verlagert. Zu guter Letzt kommt noch der Regisseur, der in dem Fall auch das Buch geschrieben hat und möchte, dass man den ersten Satz mit dem letzten vertauscht, während er bittet, den mittleren komplett wegzulassen und die vorletzte Replik leicht umzuformulieren
    Ich pflege in solchen Momenten gerne zu sagen: »Okay. Das wird alles verändert. Nur die Natürlichkeit wird bleiben.«
    So wie ein guter Schriftsteller viele gute Bücher lesen sollte, hilft es dem Schauspieler, die Menschen genau zu beobachten. Oder immer wieder zu versuchen, sich in ihre Lage zu versetzen. Wenn ich einen Menschen treffe, der in irgendeiner Form außergewöhnlich ist oder auch nur Außergewöhnliches erlebt hat, versuche ich, sofort ein Gespräch mit ihm anzufangen. Ich will dann genau wissen, was er in dem Moment gedacht und empfunden hat. So frage ich einen Formel-1-Weltmeister, was das für ein Gefühl ist, in Monaco mit 300 Sachen durch den Tunnel zu fahren. Oder einen Fußballer, was in ihm vorgeht, wenn er im ausverkauften Stadion den Elfmeter für die gastgebende Mannschaft versenkt. Ob ihm dann ein Schauer über den Rücken läuft, wenn 80000 Menschen anfangen zu jubeln. Oder was passiert, wenn er ihn verschießt. Ob er wirklich, wie man immer sagt, gerne im Boden versinken würde und wie sich das genau anfühlt.
    So hat unser Beruf noch eine angenehme Nebenwirkung. Er lässt einen immer neugierig bleiben. Auf die Menschen und alles, was mit ihnen zu tun hat.
    Selbst wenn ich in einem Café sitze, bin ich ständig damit beschäftigt, die Menschen um mich herum zu beobachten. Zwar versuche ich meinem Gegenüber genügend Aufmerksamkeit zu widmen, nebenbei habe ich aber die anderen Gäste genauso intensiv im Blick. Ich speichere alle guten Gesten, lege mir sozusagen einen Vorrat an, um später darauf zurückzugreifen.
    Es gibt aber auch Schauspieler, die sich um so was keine Gedanken machen, mitunter recht einfältig durch die Gegend laufen und trotzdem brillant sind. Weiß der Henker, wie sie’s machen.
    AUF EINE ROLLE VORBEREITEN
    Eine der Lieblingsfragen der Journalisten ist: »Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet?« Ich zitiere da ganz gerne Hitchcock, der einem Kollegen auf die Frage, wie er sich für eine Rolle präparieren könne, geantwortet haben soll: »Lern deinen Text und versuche, nicht in die Dekoration zu fallen.« Mal abgesehen davon, dass die Antwort zeigt, was Hitchcock von Schauspielern hielt, ist auch etwas dran an diesem Kommentar. Er verdeutlicht, dass man sich die ganze Vorbereitung sparen kann, wenn man es am Ende nicht bringt. Und dass es sogar schädlich sein kann, sich zu viele Gedanken zu machen.
    Wenn ich mich selbst in Filmen sehe, entdecke ich natürlich vieles, was mir nicht so gefällt. Das versuche ich dann beim nächsten Mal wegzulassen oder anders zu machen. Tausend Kleinigkeiten. Wie ein Rennfahrer, der immer wieder etwas hört an seinem Wagen. Es pfeift oder trommelt und dann wird daran herumgeschraubt, bis das Geräusch weg ist.
    Ich habe unlängst einen Bundeskanzler gespielt. Ich konnte mich dafür natürlich nicht eigens mit der Bundeskanzlerin treffen, aber ich bin ihr bei anderen Gelegenheiten begegnet und war froh, sie genau beobachtet zu haben. Wenn ich ihr Verhalten mit dem von Schröder oder Kohl vergleichen sollte, die ich auch schon in privater Runde getroffen habe, wenn ich Parallelen suchen müsste in ihrer Ausstrahlung, würde ich eigentlich auf nur einen gemeinsamen Nenner kommen. Bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Charaktere hatten sie eines gemeinsam: die Aura des Mächtigen. Und die erzeugt in erster Linie die Umgebung. Wie die alte

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