Man lebt nur zweimal
mir zunächst nicht so sicher, ob ich es mögen würde, mich über Wochen mit so einem düsteren Thema zu beschäftigen. Rückblickend gesehen war es die richtige Entscheidung. Der schmale Grat ist ein ziemlich guter Film geworden.
Ich habe da ohnehin ein großes Vertrauen in die Instinkte meiner Frau. Sie hat, im positiven Sinne, einen typischen Mainstream-Geschmack, den viele Filmschaffende gar nicht mehr entwickeln oder simulieren können, weil sie so drin sind in diesem Gewerbe, dass sie gar nicht mehr wissen, was draußen beim Publikum überhaupt ankommt.
Auch wenn Viktoria ein Drehbuch liest, dann analysiert sie das auf eine Art und Weise, auf die ich selbst oft gar nicht mehr komme. Weil ich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe. Daher ist sie mir ein unglaublich guter und wichtiger Ratgeber und entscheidet oft mit.
SCHLECHTE SCHAUSPIELER
Es gibt einen Witz, den ich sehr mag. Er zeigt, dass es nicht immer von Vorteil sein muss, ein guter Schauspieler zu sein.
Ein Mädchen kommt zu seinem Vater.
»Papa, ich bin verliebt. Der Mann ist so toll, ich will ihn unbedingt heiraten.«
»Ja, was macht der denn beruflich?«
»Er ist Schauspieler.«
»Na, aber ganz sicher nicht! Mir kommt kein Künstler ins Haus. Ein Schauspieler schon gar nicht«.
»Aber bitte Papa, er ist so unglaublich toll! Der spielt jetzt am Montag. Komm doch zur Premiere und schau ihn dir wenigstens einmal an. Ich bin sicher, du wirst ihn auch mögen.«
Der Vater lässt sich tatsächlich überreden und sie gehen zusammen ins Theater. Nach der Vorstellung fragt die Tochter mit großen Augen: »Na Papa, wie findest du ihn?« Der Vater antwortet seiner Tochter:
»Den kannst du heiraten. Der ist kein Schauspieler.«
Für gute Schauspieler gibt es keine Leistungszertifikate und auch keine klaren Kriterien. Die besten Schauspieler sind von Schauspielschulen geworfen oder gar nicht erst angenommen worden. Die schlechtesten bekommen hochdotierte Preise und große Rollen. Es gibt eine riesige Grauzone und am Ende ist das »halt eine Geschmacksfrage«. Das sehe ich an mir selbst. Viele Menschen schreiben mir, ich sei einer der besten Schauspieler Deutschlands. Für einige gar der Welt. Für andere bin ich das bei Weitem nicht. Es gibt vermutlich auf der ganzen Welt keinen Schauspieler, über den nicht zumindest eine Person sagt: »Ach, das gefällt mir eigentlich ganz gut, was der macht.« Schon hat man einen Fan. Und wenn’s die eigene Oma ist.
Ein Schauspieler muss das Talent mitbringen, im entscheidenden Moment aus sich herauszugehen. Wenn es sein muss, über die Maßen. Damit meine ich nicht, dass dem Schauspieler nichts peinlich sein soll. Ich beispielsweise bin von Natur aus kein großer Redner, aber ich kann das total trennen. Im Beruf ist mir alles wurscht. Da sage ich mir: Ich werde gut bezahlt dafür, ich mache alles.
Kollegen, die Probleme haben, diesen Schampunkt zu überwinden, werden sich schwertun, eine hohe Qualität zu erreichen.
Wobei ich persönlich die introvertierten Schauspieler lieber mag, als diese hemmungslosen Grimassenzieher, denen kein Mittel zu viel ist, um immer und überall unter Beweis zu stellen, wie genial sie sind. Es gibt fantastische Schauspieler, die ein großes Geheimnis haben, ohne dafür viel tun zu müssen. Oder zumindest so wirken, als hätten sie eines. Das fasziniert mich. Sie zeichnen sich vielleicht nicht durch die größte Variabilität aus und schießen nicht so aus der Hüfte, aber was sie machen, wirkt dafür länger nach.
Man kann natürlich nie vollends in die Person schlüpfen, die man gerade darzustellen hat. Zu viele Details halten einen davon ab, in seiner Figur zu versinken und alles um sich herum zu vergessen. Im Theater klingelt schon mal ein Handy, oder die Leute husten mitunter so stark, dass ich schon Erkältungsbonbons in den Zuschauerraum geworfen habe. Auch beim Film ist hinter der Kamera ständig Bewegung, obwohl die Crew natürlich angewiesen ist, die Schauspieler nicht abzulenken. Aber da fuchtelt ein Kameramann schon mal wild mit den Händen, um dem Tonassistenten, der den Galgen hält (an dem das Mikrofon befestigt ist) zu signalisieren, dass er kurz davor ist, ins Bild zu kommen.
Außerdem muss man ständig auf irgendwelche Markierungen gehen, um im optimalen Licht zu stehen. Die werden mit buntem Klebeband auf dem Boden befestigt. Manchmal ist die ganze Spielfläche voller Markierungen (im günstigsten Fall hat jeder Schauspieler seine eigene Farbe). Selbst wenn man
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