Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
Vom Netzwerk:
Schauspielerweisheit besagt: »Dass du der König bist, können nur die anderen spielen, nicht du selbst.« Also, was hatte ich in Bezug auf meine Darstellung des Kanzlers gelernt durch meine schlauen Beobachtungen? Richtig, dass ich den Kanzler nicht spielen kann, wohl aber einen Menschen, der es gewohnt ist, mit Macht umzugehen. Das hat mich davor bewahrt, irgendetwas in die Rolle hineinzuinterpretieren, was gar nicht da war. Weniger ist eben manchmal mehr.
    Ich war einmal zu einer Veranstaltung im Bundeskanzleramt eingeladen. Da waren lauter Filmschaffende, so Leute wie Volker Schlöndorff und Tom Tykwer und die wichtigsten Produzenten des Landes. Es ging natürlich die ganze Zeit um die Filmförderung und darum, wie viel Geld von NRW verschoben wird nach Bayern und umgekehrt, es wurde toll gekocht und es gab eine wunderbare Terrasse. Irgendwann wurde mir langweilig. Ich kannte Angela Merkel schon ein bisschen, hatte mich das eine oder andere Mal sehr nett mit ihr unterhalten, auch schon bevor sie Kanzlerin wurde, im Borchardts zum Beispiel. Daher nahm ich mir die Freiheit und sagte in die Runde:
    »So Leute, jetzt haben wir aber genug über Filmförderungen geredet, findet ihr nicht? Frau Bundeskanzlerin, jetzt erzählen Sie doch mal, wie das so ist, wenn man in der deutschen Airforce One fliegt. Das muss doch geil sein.«
    »Och«, meinte die Kanzlerin und schmunzelte. »Das ist doch ein uraltes Ding, das wir noch von der DDR übernommen haben.« Ich hatte das Gefühl, sie war auch ganz froh über den Themenwechsel.
    Es wurde dann ein lustiger Abend, bei dem ich Gelegenheit fand, noch eine Frage loszuwerden, die mich schon lange beschäftigt hatte. »Ich liege manchmal nachts im Bett und kann nicht schlafen«, sagte ich. »Weil mir tausend Sachen durch den Kopf gehen. Weil ich Sorgen habe und mich Dinge ärgern oder ängstigen.« Mich interessierte, wie es ihr damit erginge, dass die Sorgen von Millionen von Bundesbürgern auf ihren Schultern lasteten. Wenn ich schon mit meinen paar Sorgen kein Auge zumachen konnte, wie war es ihr da möglich, Schlaf zu finden?
    Sie sah mich eine Weile an. »Herr Lauterbach«, sagte sie dann, »ich glaube, es ist so: Jeder Mensch hat eine Art Vorratskammer für seine Sorgen. Und wenn die voll ist, dann ist die voll. Voller als voll geht nicht. Mehr Sorgen als viele Sorgen gibt es nicht.« Eine ziemlich kluge Antwort, wie ich finde. Nicht umsonst ist die Frau in der Königsklasse der Wissenschaften zu Hause, in der Physik. Oder sie wurde das schon häufiger gefragt. Dann wäre die Antwort gar nicht so spontan gewesen. Zumindest wäre sie dann eine gute Schauspielerin. Aber das sind die Politiker ja sowieso.
    Man behauptet ja auch, Kinder haben keine Sorgen. Ich habe schon immer gesagt, dass das Quatsch ist. Zu gut kann ich mich an meine eigenen Sorgen erinnern, die ich jede Nacht hatte, wenn ich am nächsten Tag meinen Lehrern ohne Schulaufgaben vor die Augen treten musste. Meine Kammer war dermaßen voll, sag ich ihnen. Ich glaub, da hätte sogar die Kanzlerin eine Ausnahme gemacht. »Es gibt eben doch noch voller als voll«, hätte sie sich korrigieren müssen. »Beim kleinen Lauterbach, da ist sie übervoll.«
    SCHAUSPIELMODEN
    Natürlich gibt es ständig irgendwelche neuen Moden und Schulen. Was wir als gute Schauspielerei wahrnehmen, hängt ja auch sehr davon ab, wie bestimmte Stars gerade spielen, und das war in den 1950er Jahren ganz anders als in den 1980ern oder heute.
    Eine Zeit lang gab es zum Beispiel in den USA die Mode, dass die Schauspieler sich so gut wie gar nicht mehr angeschaut haben in den Dialogen. Sie haben nur noch cool ihre Sätze weggenuschelt und dabei gelangweilt auf den Boden geguckt. Ich schätze, der von mir so verehrte James Dean hat diesen Stein ins Rollen gebracht.
    Eine Zeit lang gingen alle Schauspieler zu Lee Strasberg, der das method acting erfunden hat. Der gute Mann hätte sich wohl vierteilen und zweihundert Jahre alt werden müssen, wenn er tatsächlich all die Kollegen hätte unterrichtet müssen, die behaupteten, bei ihm gelernt zu haben.
    Das method acting soll angeblich dafür sorgen, dass die Schauspieler möglichst natürlich und intensiv wirken. Der Schauspieler soll die Rolle »in sich selbst finden«, mit ihr eins werden, verschmelzen. Schauspieler wie James Dean und Marlon Brando bedienten sich dieser Methode, oder auch Dustin Hoffmann und Al Pacino zum Beispiel.
    Ich habe bewusst die Meilensteine dieser Epoche hervorgehoben. Es

Weitere Kostenlose Bücher