Man lebt nur zweimal
dass wir beide große Fans des französischen Regisseurs Jean-Pierre Melville sind. Wir lieben Gangsterballaden wie Le cercle rouge ( Vier im roten Kreis ), Le samourai ( Der eiskalte Engel ) oder Un flic ( Der Chef ). Übrigens allesamt mit Alain Delon. Fast zwangsläufig fragten wir uns eines Tages: Warum machen wir nicht selbst so einen Film? Die Antworten hatten wir schnell parat. Weil in Deutschland niemand deutsche Filme guckt, es sei denn, es handelt sich um Komödien, und weil wohl kein deutscher Produzent es wagen würde, einen deutschen Gangsterfilm ins Kino zu bringen. Zumindest kannten wir keinen. Weil man keinen Verleih finden würde, und auch keinen Weltvertrieb. Weil keine der vielen Filmförderungen so ein Projekt mit nur einem Cent unterstützen würde. Und, und, und. Die Liste ließe sich in der Tat noch verlängern.
Warum, fragten wir uns nun fast zwangsläufig, produzierten wir diesen Film nicht einfach selbst? Eine mögliche Antwort wäre gewesen: Weil wir dazu viel zu vernünftig waren.
Sieben Monate später war Nikis fantastisches Drehbuch auch schon fertig und wir fingen an, das Gangsterdrama Harms zu drehen. Wir hatten dieses Projekt im Vorfeld unter unglaublicher Mühe finanziert und vorbereitet. Dann stand uns ein toller Cast und ein unglaublich engagiertes Team zur Verfügung. Alle Mitarbeiter diese Films, inklusive uns natürlich, arbeiteten größtenteils auf sogenannte Rückstellung. Das heißt, mit Geld ist nur im Erfolgsfall zu rechnen. Um das nur kurz zu erklären: Rückstellungen bedeuten, dass alle Beteiligten zunächst nur ein sehr geringes Grundgehalt bekommen. Den Rest gibt es in Form einer Erfolgsbeteiligung, wenn der Film die Kosten wieder eingespielt hat und Gewinn erwirtschaftet.
Selbst wenn andere uns unvernünftig fanden – wir hatten riesigen Spaß dabei, und ich glaube, das sieht man dem Film auch an. Denn Harms ist tatsächlich fertig geworden. Inklusive eines tollen Soundtracks, den Xavier Naidoo mit seinen Musikern beigesteuert hat. Während ich diese Zeilen schreibe, sind wir dabei, den Film zu vermarkten. Für mich hat sich die Arbeit allerdings jetzt schon gelohnt, denn von allen Filmen, die ich bisher gedreht habe, ist Harms mein Lieblingsfilm.
Das Schönste daran ist: Dass wir mit ihm machen können, was wir wollen. Denn es ist unser Film. Wir können ihn auf Festivals laufen lassen, dann einen Verleih suchen, einen Weltvertrieb, ihn ins Internet stellen – mal schauen, was daraus wird.
Niki und ich haben inzwischen auch ein Drehbuch für eine Komödie geschrieben. Ebenfalls fürs Kino. Wir sind momentan dabei, dieses Projekt zu finanzieren, was wesentlich einfacher sein dürfte. Klar, ist ja auch eine deutsche Komödie.
Mit Niki verbindet mich heute eine enge Freundschaft. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht mindestens einmal miteinander telefonieren. Wenn man Filme miteinander produziert, lernt man sich wirklich kennen. Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Da steht man Rücken an Rücken und der Wind pfeift einem um die Ohren. Man muss sich vertrauen. In jeder Beziehung. Man muss füreinander da sein und miteinander kämpfen. Jede noch so kleinste Entscheidung treffen wir gemeinsam. Wir sind da natürlich nicht immer auf Anhieb einer Meinung, mussten aber noch nie faule Kompromisse machen. Es ist ausgeschlossen, dass wir am Ende einmal nicht bedingungslos und voller Überzeugung dasselbe wollen. Es ist eine reine Freude, mit diesem Mann zusammenarbeiten zu dürfen. Er strotzt vor Kreativität. Und es ist ein großes Glück, sein Freund zu sein. Auch und vor allem menschlich.
Bevor wir mit dem Drehen von Harms anfangen konnten, ist uns etwas Interessantes passiert. Wir waren gerade dabei, den Film zu entwickeln, die Story zu finden und den Look zu bestimmen. Wir fragten uns: Wird es ein cinemaskopischer Hochglanzthriller oder eher so ein kleiner, schmutziger Film? Wie sehen unsere Gangster überhaupt aus?
Zu diesem Zweck besuchten wir mehrere große Buchhandlungen. Wir fragten nach Werken mit Fotografien von deutschen Gangstern. »Deutsche Gangster? Tut uns leid. Wir haben Bücher über amerikanische Gangster, puerto-ricanische, kubanische, brasilianische, afrikanische, italienische, französische, russische, japanische, chinesische …«
Seltsam. Dabei werden in Deutschland genauso viele Banken überfallen wie in Frankreich.
Gut, könnte man einwenden, dass erwachsene Männer schwer bewaffnet in Banken laufen, womöglich andere verletzen,
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