Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
Vom Netzwerk:
Dank für Ihre Mühe. Wir haben leider keine Zeit, es zu lesen.«
    Aber auch für die Besetzung gilt: Alle wirklich großen Filme haben eines gemeinsam – eine hervorragende Besetzung. Oder genauer gesagt – eine hervorragend passende Besetzung. Also der richtige Schauspieler am richtigen Fleck. Er macht den guten Film erst zu einem großen Film. The Graduate ( Die Reifeprüfung ) von Mike Nichols zum Beispiel wäre ohne Dustin Hoffman in der Hauptrolle nie ein solches Meisterwerk geworden. Zum Beispiel, wenn Robert Redford den Part übernommen hätte, wie das ursprünglich geplant war. Andererseits hätte ich Hoffmann nicht als The Great Gatsby ( Der große Gatsby ) sehen wollen, da war Redford eindeutig die beste Wahl.
    Andererseits kann man sich bei vielen Filmen fragen: Was hätte aus ihnen werden können, wären sie nur richtig besetzt worden? Aber vielleicht sollte man das lieber nicht uns Schauspieler fragen. Gibt es eine Figur zu besetzen, können wir uns meist nur eine Besetzung vorstellen – uns selbst. Es sei denn, biologische Faktoren schließen das völlig aus. Ich habe mich allerdings schon mal bei dem Gedanken ertappt, dass ich mich als Besetzung für die weibliche Hauptrolle besser gefunden hätte, als die tatsächliche Darstellerin. Kurz: Will jemand von mir einen Besetzungsvorschlag für ein Kleinkind oder eine 120-jährige, einbeinige Frau, kann ich ihm garantiert einen guten Tipp geben. Alle anderen Rollen würde ich mir schon irgendwie aneignen. Immerhin gibt es Maskenbildner und tolle Leute für die visual effects .
    So wimmelt es speziell im deutschsprachigen Raum zwangsläufig von Filmen, die in meinen Augen falsch besetzt worden sind. Das geht jedem Schauspieler so. Wer was anderes behauptet, lügt.
    Nun wird aber ohnehin nicht nach Kriterien wie »richtig« oder »notwendig« besetzt, wie so oft im Leben entscheidet auch bei uns das Vitamin B. Klüngelei, wie wir Kölner sagen. Oder Zufälle. Oder die Leute haben keine Ahnung. Oder aber der eigentlich perfekte Schauspieler hat sich im Vorfeld schon selbst ins Abseits geschossen. Da fällt mir eine kleine Geschichte ein, die sich Anfang der 1990er Jahre abgespielt hat.
    Ich bekam einen Anruf meiner Agentur, dass sich ein bekannter Regisseur für mich interessiere. Er wolle mich für eine Hauptrolle in seinem nächsten Kinofilm besetzen.
    »Schön«, sagte ich ins Telefon, »wann geht’s los?«
    »Moment Heiner, erst mal will er dich treffen.«
    »Verstehe«, log ich. Denn ich hatte das noch nie verstanden. Entweder man will einen Schauspieler, oder man will ihn nicht. Der Regisseur konnte mich in unzähligen Filmen begutachten. Im Kino, im Fernsehen. Er konnte auch ins Theater gehen, um mich zu sehen und das zu beurteilen, was für ihn eigentlich relevant sein sollte. Er konnte sich meinetwegen bei Kollegen und etlichen Filmproduktionen erkundigen, ob ich morgens pünktlich zur Arbeit erschien und meinen Text beherrschte. Er wollte schließlich nicht mit mir in den Urlaub fahren.
    Aber was soll’s. Alle machten das so. Das persönliche Kennenlernen war so normal wie Schnupfen im Winter. Und so überflüssig. Dennoch sagte ich meiner Agentin, dass ich mich natürlich sehr gerne mit ihm treffen würde. (Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass alle Schauspieler verlogen sind?)
    Ich schlug das Café Extrablatt als Treffpunkt vor, weil es gegenüber meiner Wohnung lag.
    Ja wunderbar, Samstag würde mir passen, sagte ich. Schon wieder gelogen, Samstag war unsere Beton-Skatrunde im Occam-Pils. Sie hieß so, weil sie eigentlich nicht verschiebbar war. Aber der Regisseur hatte ausrichten lassen, dass der Samstag sein einzig freier Termin war, und was tat man nicht alles für die Kunst.
    Um Kunst musste es sich wohl handeln, denn der Regisseur war einer dieser Herren, die nicht einfach normale, sondern ausschließlich künstlerisch wertvolle Filme produzierten. Ich wunderte mich ohnehin, dass ich bei ihm auf dem Zettel stand. Normalerweise hatte diese Sparte der Branche an mir ebenso wenig Interesse wie ich an ihnen. Ja mehr noch: Sobald einem Projekt der Ruf vorauseilte, künstlerisch wertvoll zu sein, machte ich einen weiten Bogen darum. Beziehungsweise um das Kino, in dem der Film gerade lief. Wollte man allerdings mich in so einem Werk besetzen, war das etwas ganz anderes.
    Ich lief also die unakademischen 30 Minuten zu spät ins Extra-Blöd ein, wie Außenstehende den Laden nannten. Auch die Nähe zu meiner Wohnung änderte daran nichts, und

Weitere Kostenlose Bücher