Man lebt nur zweimal
Filmgeschäft, herrschen die allerschlimmsten Klischees, was den Frauengeschmack betrifft. (Bekanntlich ist ja auch die Ausländerfeindlichkeit in den Regionen Deutschlands besonders hoch, in denen gar keine Ausländer leben.) Wenn es so weitergeht, werden die schweren Jungs im Film demnächst noch mit kleinen Kätzchen schmusen müssen oder von der Kohle, die sie mit Prostitution und Schutzgeld gemacht haben, einen Kosmetikladen eröffnen, damit der Film auch ganz sicher frauenaffin und damit ein Erfolg wird.
WEITVERBREITETE REALITÄTSVERZERRUNG
Es gibt Leute – leider sogar sehr viele, sehr erfolgreiche Leute – die vor allem eines beherrschen: wichtig daherzureden. Bei dem Apple-Gründer Steve Jobs hat man das ja mal »reality distortion field« getauft. Ich weiß genau, was damit gemeint ist, weil mir das Phänomen fast täglich begegnet: das Talent oder die Fähigkeit, sich die Realität so hinzudrehen, wie man sie gerne sehen möchte, und alles andere auszublenden. Im positiven Sinne sind das Menschen mit Visionen, die auch mal Tatsachen schaffen, wo andere nur zaudern, abwarten oder die Konkurrenz kopieren. Im negativen Fall sind das Schaumschläger, Dampfplauderer und Schädlinge, die davon leben, dass andere sie für Macher halten und auf ihre Versprechungen hereinfallen.
Interessanterweise habe ich fast nie einen Menschen getroffen, der die positive oder negative Seite in Reinform verkörperte.
Unser vermeintlicher Geldgeber war am Ende noch einer von der harmloseren Sorte. Er hatte zumindest noch Argumente für sein Handeln, wenn auch ziemlich fragwürdige. Obwohl er gelogen hatte, sich nicht an Abmachungen hielt, steckte unter Umständen tatsächlich noch so etwas wie eine winzige Vision hinter seinem Handeln. Möglicherweise wollte er sich nicht nur vor seiner Mitarbeiterin aufspielen. Ich kann das nicht ausschließen. Wer weiß, vielleicht glaubte er am Ende, ohne seinen dramaturgischen Eingriff würde unser Film in jedem Fall zu einem Flop und er hätte die verdammte Pflicht, das Geld anderer Leute, das er da vergab, zu schützen. Wenn man bei seinem Handeln wirklich nur Gutes voraussetzen will, sagte er sich an diesem Morgen, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, bevor ich heute so viel Geld in den Sand setze, das mir nicht gehört, werde ich lieber wortbrüchig. Natürlich hätte er das dann auch so formulieren können und müssen. Aber sei’s drum: Wenn es so gewesen ist, würde ich ihm verzeihen. Es gibt jedoch auch viele Menschen, die völlig ohne Not Zusagen machen, die sie eigentlich von Anfang an nicht einzuhalten gedenken – aus den unterschiedlichsten Gründen. In den meisten Fällen wollen sie sich wohl einen Vorteil verschaffen. Oft geht es um Geld, aber auch um gesellschaftlichen Einfluss, Geltungsdrang und den Wunsch nach Anerkennung. Und manchmal ist es auch einfach nur Langeweile. Man erzählt jemandem, dass man einen Film drehen will. »Ach interessant«, sagt der, »braucht ihr noch Geld?« »Klar«, sagt man. Es gibt wohl keinen Filmproduzenten auf der Welt, der diese Frage mit »Nein« beantworten würde. »Besorg ich euch«, schwadroniert der dann und erzählt von irgendeinem Scheich, der im Geld schwimmt und nur darauf wartet, es in einen Film zu stecken. Wochen später erfährt man, dass alles erstunken und erlogen war. Diese Menschen nehmen es in Kauf, dass sie auffliegen. Sie hatten ein paar schöne Wochen, in der sie wichtig waren, etwas darstellten – das genügt ihnen. Ich stehe dann immer wieder fassungslos davor. Warum hat er das gemacht?, frage ich mich. Ich hab ihn doch gar nicht danach gefragt, geschweige denn, darum gebeten. Warum um alles in der Welt hat dieser Mensch so einen Stuss geredet?
Von den richtig üblen Dingen im Filmbusiness, den Stahlgewittern, dem Krieg, den Untergängen, kann ich zum Glück nur vom Hörensagen berichten. Dass ein ganzes Filmteam von einem Tag auf den anderen mitten während der Dreharbeiten ohne einen Cent dasteht, das habe ich erfreulicherweise noch nie am eignen Leib erlebt. Aber die Branche zieht die Betrüger an wie die Motten das Licht. Nirgends gibt es so viele Lügner und Hochstapler wie beim Film. Davon bin ich überzeugt. (Okay, die Schlagerbranche soll auch nicht übel sein.)
Vielleicht tut man den wirklichen Filmleuten aber auch unrecht, denn viele dieser Windhunde sind gar nicht aus dem Gewerbe, sondern eher Geschäftsleute, die sich ein wenig aufspielen oder vor ihrer Freundin auf Welle machen
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