Man nehme: dich und mich
nachdenklich aus dem Fenster. Wieder sah Nate aus dem Augenwinkel, wie der Mann mit den beiden Kindern aufstand und seiner kleinen Tochter vom Hocker half. Sie gingen in Richtung der Waschräume, und Nate schluckte, als er sah, wie vertrauensvoll die Kleine die Hand ihres Vaters hielt. Auf dem Rückweg blieb der Vater mit seiner kleinen Tochter an ihrem Tisch stehen.
“Frankie?”
Sie hob überrascht den Kopf und setzte ein Lächeln auf. “David.”
“Du siehst gut aus”, sagte der Mann lächelnd.
“Du auch. Und das ist bestimmt Nanette?”
“Nein”, meldete sich die Kleine. “Nanette ist meine Schwester. Ich bin Sophie.”
“Und das dritte ist gerade unterwegs”, sagte der Mann mit einem verlegenen Achselzucken, als wollte er sich für die Fruchtbarkeit seiner Frau entschuldigen.
Nate vermied es, das kleine Mädchen anzusehen, und konzentrierte sich stattdessen auf den Mann. Er war groß, gut in Form, trug eine elegante Uhr und teure Schuhe. Sicher ein Mitglied des hiesigen Geldadels.
“Wie geht es Madeline?”, fragte Frankie.
“Sehr gut. Sie besteht immer darauf, bis kurz vor der Entbindung zu arbeiten. Aber sie hat ja auch mehr Ehrenämter als ich Klienten.” Er räusperte sich. “Aber du … du hast bestimmt auch viel zu tun. Mit dem
White Caps
.”
“Ja, Arbeit gibt’s genug.”
Hilflos schaute der Mann zu Nate. “Wo sind nur meine Manieren? Ich bin David Weatherby.”
Der Name war Nate nicht unbekannt. Die Weatherbys und die Walkers liefen sich öfter über den Weg. Aber er hatte keine Lust, das jetzt ins Spiel zu bringen, und stellte sich nur mit Vornamen vor. “Ich bin Nate, der neue Koch im
White Caps
.”
“Oh.” Der Mann wandte sich wieder Frankie zu. “Wie läuft es diese Saison?”
“Sehr gut.”
“Daddy, können wir uns wieder hinsetzen?”, fragte die Kleine.
“Ja, Liebes. Tja, wir müssen dann wieder. Frankie, es war schön, dich mal wieder zu sehen.”
“Finde ich auch.”
Nachdem sie gegangen waren, atmete Frankie langsam aus. “Könnte ich noch etwas Wein haben?”
Nate goss ihr ein. “Ein alter Freund?”
“So was in der Art.” Sie nahm einen großen Schluck und stellte das Glas wieder ab. “Nanu, keine neugierigen Fragen?”
“Nicht nötig, es war ziemlich offensichtlich.”
“Ach ja?”
“Ihr wart mal ein Paar, richtig? Es gab eine hässliche Trennung. Aber weil ihr euch hier immer mal wieder über den Weg lauft, bemüht ihr euch beide, höflich zu sein, wenn ihr euch begegnet …”
“Wir waren verlobt.” Sie trank ihr Glas leer und schenkte sich selbst nach.
Die Kellnerin brachte zwei riesige Teller mit Hackbraten. Als sie gegangen war, fragte er: “Was ist passiert?”
“Als meine Eltern starben, war mein altes Leben vorbei. Und in mein neues passte David nicht hinein, das haben wir beide recht schnell eingesehen.”
“Er hat dich verlassen?”, fragte Nate ungläubig.
“Ich habe ihn verlassen, weil ich wusste, dass er es früher oder später tun würde.” Wieder schob Frankie das Essen nur auf dem Teller herum. “Ich war sowieso eher so was wie ein Protest gegen seine Eltern, glaube ich. Sonst hat er nämlich immer das getan, was sie von ihm wollten. Mich hat er kennengelernt, als er mit dem College fertig war. Seine Eltern haben darauf bestanden, dass er in die Familienfirma eintritt, aber er wollte Journalist werden. Schließlich hat er nachgegeben, aber dafür hat er mich seinen Eltern vorgestellt – und ich war absolut nicht die Frau ihrer Träume: kein Geld, verrückte Eltern, nicht mal hübsch. Seine Mutter war untröstlich, und je mehr sie nörgelte, desto überzeugter war David, dass er mich liebte.”
Sie nahm einen kleinen Bissen Hackbraten. “Ich wollte ihm so gern glauben. Ich war zwanzig und habe von einer wunderbaren Zukunft in der schönsten Großstadt der Welt geträumt, mit einem Ehemann, der mich anbetet. Aber dann sind meine Eltern gestorben, und wir haben die Hochzeit verschoben. Nach einer Weile gab es die ersten Unstimmigkeiten. Ich glaube schon, dass er mich geliebt hat, aber er hat mich auch als Druckmittel gegen seine Eltern benutzt. Wenn meine Eltern nicht umgekommen wären, hätte er mich sicher geheiratet. Aber das
White Caps
zu übernehmen und einen Teenager großzuziehen passte nicht in seine Pläne. Er war unglaublich erleichtert, als ich ihm den Ring zurückgab.”
Sie lachte gezwungen, als wäre sie selbst überrascht, wie viel sie von sich preisgegeben hatte. “Aber wenigstens glaube
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