Manche Maedchen raechen sich
dass das Messer den Brustkorb durchbohrt hat. Wir haben Knochensplitter an der Klinge gefunden.“
„Echt? Ist ja toll.“
„Ich arbeite auch mit lebenden Menschen, falls das Ihre Frage beantwortet.“
Ich versuche, mir bescheuerte Spitznamen für ihn einfallen zu lassen, leider reimen sich nicht sonderlich viele Wörter auf Fadden. Also gebe ich mich mit „Dr . Fathead“ zufrieden. Mir ist natürlich klar, dass er nicht irgend so ein dämlicher, donutfressender Bulle ist, den ich komplett links liegen lassen kann. Ich sehe es in seinen Augen. Die sind nämlich definitiv mit einem Gehirn verbunden. Vielleicht ist er ja nur so gemein zu mir, weil er mich für grausam und skrupellos hält.
Dr . Fadden hat das, was meine Mutter ein mediterranes Äußeres nennen würde. Seine schräg stehenden Augen lassen ihn ein bisschen traurig aussehen.
Mein Kopf ruht immer noch auf dem Tisch, ich spüre das kühle Metall unter meiner Wange und blinzele zu ihm hoch.
Ich will ihn unbedingt aus der Reserve locken. Wahrscheinlich bereue ich das irgendwann, spätestens wenn auf meiner einen Gesichtshälfte Pickel sprießen. Ich möchte ihn wirklich gern hassen. Aber das ist nicht leicht, wenn er die ganze Zeit so gut aussieht.
„Könnte ich einen Kaffee haben?“
Ich sehe Dr . Fadden im Halbprofil. Er hebt die Augenbrauen.
„Ich bin sechzehn, nicht zehn, müssen Sie wissen.“
„Ich weiß“, antwortet er. „Ich habe den Polizeibericht gelesen. Genauer gesagt habe ich Ihre ganze Akte gelesen und wahrscheinlich kenne ich Ihr Leben besser als Sie selbst.“
Ich hebe den Kopf.
„Ich trinke Kaffee, seitdem ich dreizehn bin oder so“, sage ich und versuche, dabei besonders reif zu klingen. „Und ungefähr seit ich zehn bin, gehe ich in Cafés und trinke Eiskaffee. Das ist das Normalste der Welt für mich, verstehen Sie?“
Er mustert meine schmutzige Schuluniform, meine total zerzausten Haare und das Blut und plötzlich purzeln die Worte aus meinem Mund: „Wir werden heutzutage ziemlich schnell erwachsen, das können Sie mir glauben.“ Und ich weiß genau, dass er sich in diesem Augenblick fragt, ob das stimmt.
„Okay.“ Er zuckt die Schultern und steht auf.
„Nein!“, entfährt es mir wie ein Schrei. „Ich mein e … bitte “, sage ich und dämpfe meine Stimme, „kann ich mitkommen und mir den Kaffee selbst machen? Ich sitze hier schon seit Stunden rum und tue nichts . Davon wird man doch bestimmt psychisch krank oder so. Bitte, bitte!“
„Darf ich Sie daran erinnern, dass das hier kein Fünf-Sterne-Hotel ist?“, sagt Dr . Fadden nüchtern. „Sie haben ein sehr schweres Verbrechen begangen. Ich will, dass Sie das hier ernst nehmen. Es ist nur zu Ihrem Besten.“
Das muss er mir wirklich nicht sagen. Ich weiß, dass das hier definitiv kein Fünf-Sterne-Hotel ist.
„Das tue ich doch!“, antworte ich und mache dabei ganz große Kulleraugen. Vielleicht sollte ich noch ein bisschen die Unterlippe zittern lassen. Das wirkt noch eindrucksvoller.
Der Doktor seufzt.
„Dann aber schnell. Und wenn Sie irgendjemand sieht, lassen Sie sich gefälligst eine Ausrede einfallen. Na los!“
Ich rühre mich zuerst nicht. Ich bewege mich keinen Zentimeter von der Stelle und habe die Hände zwischen die Knie geklemmt.
„Raus“, sagt er bestimmt, als würde er mit einem Hund reden oder als wäre er in einem Werbespot und befehle einem Rote-Beete-Fleck, auf der Stelle aus dem Kragen seines weißen Hemdes zu verschwinden.
Ich stehe auf.
Endlich, denke ich und hätte am liebsten ein Freudentänzchen vollführt. Ich weiß, dass er bloß versucht, Pluspunkte bei mir zu sammeln, trotzdem finde ich Dr . Fadden nicht mehr ganz so schlimm wie vorher. Er ist jung und leicht zu beeindrucken. Wenn ich ihn an der kurzen Leine halte, behalte ich vielleicht die Oberhand. Diesen Trick habe ich mir bei meiner Mum abgeschaut.
Dr . Fadden hält mir die Tür auf. Ich lächle ihn an, als ich mich an ihm vorbeiquetsche, und husche über den weißen Flur.
Hinter mir höre ich seine vorsichtigen, quietschenden Schritte.
„Hey! Im Flur wird nicht gerannt!“
Autsch. Fieses Déjà-vu. Das ist ja wie in der Schule! Und er klingt gerade genauso wie Direktor Hollerings, dieses Ekelpaket.
„Darf ich Lexi sehen? Was ist mit Marianne?“
Ich bin am Ende des Flurs angekommen, biege nach links ab und stolpere in den nächsten viel zu hellen Raum, der in weißes Neonlicht getaucht ist. Ich bin immer noch ganz geblendet, als ich erkenne,
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